Ist Ausstrahlung angeboren? Was macht einen Charismatiker aus? Vor allem, sagt die Trainerin und ehemaligen Schauspielerin Julia Sobainsky (50), dass er eine Wirkung auf seine Mitmenschen hat. Und damit diese möglichst positiv ist, sollte man an sich arbeiten. Wie? Das kann man beim „Charisma-Training“ lernen.
Blödsinn“, sagt eine Freundin noch am selben Tag: „Charisma hat man, oder man hat es nicht. Das kann man nicht lernen!“ „Falsch“, sage ich, lächle verbindlich und richte mich fürs Streitgespräch auf. Charisma – Ausstrahlung – ist nicht etwas, was man „hat“. Sondern etwas, was andere meinen, dass man es hat. Die Wirkung auf Einzelne, eine Gruppe, gar eine Masse Mensch kann man beeinflussen. Durch Sprache, Erscheinungsbild, Körperhaltung, ja sogar durch Atmung. Julia Sobainsky (50) hat es uns gezeigt, beim „Charisma-Training“ in Köln.
Mehr Sicherheit vor versammelter Mannschaft
Da sitzen wir nun in der Seminar-Runde, acht Teilnehmer, Klinikchefs und Unternehmer, Kaufleute, Marketing-Fachfrauen, Informatiker, die mehr Sicherheit vor versammelter Zuhörerschaft bekommen wollen, ihre Argumente besser anbringen, „Business-Spielchen“ entlarven oder sich einfach als Frau im Kollegenkreis besser durchsetzen wollen.
Und das mit möglichst viel Charisma, positiver Ausstrahlung. Zunächst allerdings gucken wir alle neutral, vorzugsweise freundlich. Ist sicherer. Das Charisma-Training, sagt die ausgebildete Schauspielerin Sobainsky, stecke hierzulande quasi noch in den Anfängen, Schuld sind nicht zuletzt Negativ-Charismatiker wie Hitler. In anderen Industrienationen, vor allem den USA, gehöre die Arbeit an der eigenen Präsenz längst zum Berufsalltag in den Führungsetagen.
Glücksfall Obama
Ganz oben sowieso. Was zu Glücksfällen wie Barack Obama führen kann. Bei Obama, weiß die Dozentin, mischt sich eigene Ausstrahlung mit geschickter Inszenierung – und heraus kommt ein neuzeitlicher Charismatiker mit Wirkung auf mächtig viele Menschen. Blütenweise Hemden (elegant!), aufgekrempelte Ärmel (zupackend!). Er stehe bevorzugt vor dunklem Hintergrund – das lässt seine Haut heller erscheinen. Nie zieht er über Gegner her (Fairness, Überblick, Führungsstärke!).
Charisma ist kein Selbstläufer, sondern abhängig von Einstellungen, Zeitpunkten, Situationen. Wer weiß, ob J.F. Kennedy sein Charisma in eine zweite Amtszeit hätte retten können. „Wenn Obama morgens vor dem Spiegel seine Zähne putzt, bin ich mir auch nicht sicher, ob seine Frau ihn besonders charismatisch findet“, bemerkt Julia Sobainsky.
Griechisch: Gnadengabe
Entzaubern wir das Charisma, (griechisch: Gnadengabe) also ein bisschen, brechen es herunter auf uns Normalos. Weiß man eigentlich selbst, wie man auf andere wirkt? Gleich zu Anfang lässt die Dozentin uns Zettel schreiben, wie wir die anderen Teilnehmer einschätzen – Beruf, Hobbys, Eigenschaften. Wie man so wirkt, könne man auch von Zeit zu Zeit im Freundeskreis abfragen, rät sie. Wir dürfen fantasieren, Kleidung analysieren, verstohlen in Gesichtern lesen. Erstaunliches (und viel Stimmiges) lese ich über mich: kommunikativ, flippig, offen, aber auch „angespannt“. Nun ja, ich mag nun mal gar nicht, vor großer Runde reden zu müssen.
Aber das gehört in die Kategorie: „Was ich weiß, aber andere nicht wissen müssen“. Angst, Selbstzweifel, Unsicherheit taugen nicht dazu, Menschen für sich einzunehmen. Da lernen wir lieber etwas über Spiegelneuronen. Die sind im Gehirn dafür zuständig, dass wir gähnen, wenn andere gähnen. Dass uns das Wasser im Mund zusammenläuft bei Vorstellung einer Zitrone. Dass eine Mutter den Mund aufmacht, wenn sie ihr Kleinkind füttert.
Wir empfinden mit, das macht sympathisch und ist ein großer Schritt in Richtung Charisma. Das üben wir im Dialog mit unserem Gegenüber. Nicken, lächeln, bestätigen, vorbeugen, zurückbeugen, nicht den Kopf schief halten, das wirkt „niedlich“. Julia Sobainsky: „Wenn jemand völlig gestresst zu mir kommt, kann ich ihn nicht lässig entspannt begrüßen. Da muss ich ihn da abholen, wo er ist – und erst allmählich runterbringen.“
Präsenz durch Körperspannung
Ich ertappe mich dabei, dass ich vor lauter Hinwendung zu meinem Gesprächspartner nicht mehr zuhöre, was er sagt. Das allerdings ist ganz schlecht. Konzentration auf das Gegenüber, die Menge, die Sache, um die es geht, ist immens wichtig. Wer mag es schon, wenn er/sie mit jemandem spricht, der/die einen dabei nicht ansieht...
Wir üben Präsenz durch Körperspannung. Charismatische Menschen huschen nicht unsichtbar durch den Raum. Sie schweben leichtfüßig über Bühnen, wie Grand-Prix-Siegerin Lena Meyer-Landrut oder schaffen in Demutshaltung oder Ordenstracht eine Aura der Durchsetzungsfähigkeit – wie Gandhi oder Mutter Teresa.
Also stehen wir gerade, locker, aber aufrecht, bilden wie ein Baum eine unsichtbare Krone um unseren Kopf, wachsen mit den Füßen in die Erde. Wir üben, den Blick beim freien Reden nicht krampfhaft zu fixieren, sondern entspannt schweifen zu lassen. Wir üben frei zu reden.
Ziemlich anstrengend
Charismatisch sein zu wollen, ist ziemlich anstrengend, das wird bald klar. „Man muss an sich arbeiten“, sagt die Dozentin. Angekommen im eigenen Ideal-Zustand ist man mit seinem Job, seinen Beziehungen und sich selbst so im Reinen, dass man Problemen souverän begegnet und anderen Wertschöpfung und Achtsamkeiten entgegen bringen kann.
Anders gesagt: „Machen Sie der Kassiererin im Supermarkt abends einfach mal ein Kompliment, lächeln Sie sie dabei an. Sie wird sich an Sie erinnern!“
Das Charisma-Training setzt sich zusammen aus Elementen der Schauspieltrainings, der Rhetorik, des Körpertrainings und gehört zu den Weiterbildungsprogrammen der Technischen Akademie Wuppertal (TAW). Dort ist es im Bereich „Soft Skills“ (soziale Kompetenz) buchbar.
Open all references in tabs: [1 - 5]