Buschauffeure unter Verdacht

Wer den lieben langen Tag andere Menschen im dichten Strassenverkehr herumfahren will, trägt eine besondere Verantwortung – und sollte die richtigen Voraussetzungen mitbringen. Deshalb sieht der Gesetzgeber vor, dass angehende Tram- und Lokführern vorgängig einen psychologischen Eignungstest absolvieren müssen, um ihre Stressresistenz zu beweisen. Nicht so die Buschauffeure. Für sie gibt es keine entsprechenden Tests - obschon Busfahrer demselben Stress ausgesetzt sind, wie andere Lenker öffentlicher Fahrzeuge. Damit steht die Schweiz im Vergleich zu Deutschland und Österreich alleine da. Dort werden solche Tests auch von angehenden Buschauffeuren verlangt.

Immer wieder kommt es in der Schweiz zu Unfällen wegen überforderter Buschauffeure: Sie fahren absichtlich Autos auf der Busspur an, verwechseln Gas- und Bremspedal oder lassen sich in Handgreiflichkeiten mit anderen Verkehrsteilnehmern verwickeln. Nun schlagen Experten Alarm. Laut einem Bericht der Sonntagszeitung sind gemäss Schätzungen des Instituts für angewandte Psychologie (IAP) über ein Drittel der Busfahrer psychologisch nicht geeignet, einen Passagierbus zu lenken. Das IAP führt entsprechende Tests durch, bei dem die Fahrer auf logisches Denken, emotionale Kontrolle, Psychomotorik und Risikosensibilität hin geprüft werden. Die Psychologen wollen «teils krasse Fälle von Untauglichkeit» festgestellt haben. Oft schnitten gerade langjährige Angestellte dabei besonders schlecht ab, sagen Experten und fordern, dass künftig auch Busfahrer zu Beginn ihrer Ausbildung geprüft werden, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen.

Vergleich mit Tram- und Lokführern

Dass viele Buschauffeure für ihren Beruf möglicherweise nicht geeignet sind, legt ein Vergleich mit Tram- und Lokführern nahe. Laut dem IAP fällt rund Rund ein Drittel der Lokführer-Anwärter bei solchen Eignungstests durch. Experten des IAP-Zentrum Diagnostik, Verkehrs- und Sicherheitspsychologie vermuten, dass die Quote bei den Buslenkern noch höher sein könnte. Bei einer Auswertung von 140 Untersuchungen von Buschauffeuren, die das Institut routinemässig oder aufgrund von Auffälligkeiten durchführte, bestanden ganze 37 Prozent den Test nicht. Die Zürcher Verkehrsbetriebe waren für eine Stellungnahme zum Sachverhalt nicht zu erreichen.

Am meisten Verletzte im öffentlichen Verkehr gibt es bei Ruckunfällen mit Bussen, wenn also Buschauffeure unvermittelt bremsen oder Gas geben müssen. Das hat direkt mit dem Fahrstil des jeweiligen Chauffeurs zu tun. Bei einem Stoppunfall in diesem Frühling in Luzern erlitt das Opfer derart schwere Kopfverletzungen, dass die betagte Frau einige Tage später an den Folgen des Sturzes im Spital verstarb. Bei den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) haben sich im letzten Jahr 213 solche Stoppunfälle ereignet. Vergangenes Jahr hat die VBZ deshalb die Präventionskampagne «sicher unterwegs» lanciert – mit Erfolg. Während sich im ersten Halbjahr 2014 noch 112 Stoppunfälle ereigneten, waren es 2015 nur noch 70. Zudem hat die VBZ dieses Jahr die Weiterbildung ihrer Chauffeure schwerpunktmässig auf das vorausschauende und defensive Fahren zur Vermeidung von Notstopps ausgerichtet, um die Unfallzahlen noch weiter zu senken.

Das Bundesamt für Strassen, das entsprechende Eignungstests bei Buschauffeuren veranlassen müsste, sieht aber keinen Handlungsbedarf. Die Unfallzahlen bei Bussen seien nicht besonders auffällig, heisst es laut Sonntagszeitung.
(DerBund.ch/Newsnet)

(Erstellt: 01.11.2015, 18:23 Uhr)

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