Börsengang von Facebook – Start! Up!


Ein Kommentar von
Varinia Bernau

Mit Facebooks Börsengang entscheidet sich die Zukunft des Internets. Scheitert das soziale Netzwerk, so ist auch das Vertrauen in florierende Start-ups dahin. Gelingt der Schritt, eröffnen sich für kleine Unternehmen ganz neue Chancen.

Ob ein Börsengang glückt oder nicht, das ist vor allem eine Frage der Psychologie. Nicht nur der Ökonomie. Wer an der Wall Street das große Geld machen will, der muss eine gute Geschichte parat haben. Eine, die Anleger begeistert, ihre Phantasie beflügelt. Facebook bietet solch eine Geschichte. Sie beginnt in einer amerikanischen Studentenbude und endet auf dem ägyptischen Tahrirplatz. Sie erzählt von einem Nerd, der die ganze Welt vernetzen wollte - und nebenbei scheinbar unerschütterliche Machtgefüge ins Wanken brachte. Und dieses Wunderding soll etwa nicht bis zu hundert Milliarden Dollar wert sein?

Facebook vor BoersengangBild vergrößern

Von seinem Erfolg hängt die Zukunft vieler kleiner Start-up-Unternehmen ab: Mark Zuckerberg wagt mit Facebook den Gang an die Börse.
(© dapd)

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Es gibt gute Einwände gegen die horrend hohe Summe, mit der Facebook womöglich schon im Frühjahr bewertet werden könnte. Da ist der laxe Umgang mit dem Datenschutz. Da ist die offene Frage, wie das Unternehmen den Sprung nach China schaffen will, wo so viele Menschen wie nirgendwo sonst erst noch auf einen Anschluss ans Netz warten. Und da ist auch die Gefahr, dass es sein wichtiges Werbegeschäft womöglich nicht in jene Zeit retten kann, in der sich mehr und mehr Menschen über ihr Handy in das Netzwerk klinken.

Aber: Es ist eben die faszinierende Geschichte von Facebook, die die Bewertung emportreibt. Und nicht der nüchterne Börsenprospekt. Und vielleicht glaubt mancher diese Geschichte zurzeit nur allzu gern, wenn um ihn herum die etablierten Konzerne an die Grenzen ihres Wachstums stoßen, wenn ganze Staaten unter ihren Schulden zu ersticken drohen.

Vor zehn Jahren galten diejenigen, die irgendwas mit Internet machten, schon einmal als die neuen Propheten: Mit vollmundigen Versprechen schwangen sich damals Garagenfirmen zu Börsenstars auf. Ihre Businesspläne aber waren dünn. Die wenigsten Unternehmer konnten die in die Höhe getriebenen Erwartungen erfüllen

Dem Rausch folgte Ernüchterung. Milliarden wurden damals vernichtet. Tief saß der Schock nach dem Platzen der Dotcom-Blase. Lange Zeit machten Investoren einen großen Bogen um alles, was mit dem Internet zu tun hatte. Und Deutschland, wo ohnehin etwas vorsichtiger gewirtschaftet wird, hat dieses Misstrauen sehr viel stärker zu spüren bekommen als die Vereinigten Staaten.

Im Silicon Valley hatten einige mit der New Economy durchaus ein richtig gutes Geschäft gemacht; hierzulande aber gab es keinerlei Erfolge, auf die Internetunternehmer verweisen konnten. Deshalb saß das Geld jenseits des Ozeans etwas lockerer, hatten es Nerds wie Zuckerberg etwas einfacher, jemanden zu finden, der an ihre Idee glaubte und diese auch finanziell anschob.

Das ändert sich gerade - nicht zuletzt wegen der neuen Möglichkeiten, die Facebook geschaffen hat. Der Spieleentwickler Wooga beispielsweise ist über das soziale Netzwerk groß geworden: Das Unternehmen, vor drei Jahren gegründet und inzwischen Arbeitsplatz von 140 Menschen, ist nur ein Mosaikstein in einer bunten Start-up-Szene, die sich derzeit in Berlin tummelt. Sicher, 140 Stellen sind wenig gegen 2900, die Nokia-Siemens-Networks hierzulande noch in diesem Jahr streichen will. Doch es wäre müßig, die kleinen Start-ups gegen die großen Konzerne aufzurechnen.

Man kann darüber klagen, dass sich der verlustreiche Netzausrüster aus Deutschland zurückzieht und stattdessen in Fernost expandiert, wo nicht nur niedrigere Löhne, sondern auch Aussichten auf Wachstum locken. Man kann, zumal als junger Mensch, aber auch sein Glück selbst gestalten - und sich jenen Dingen zuwenden, die enorme Möglichkeiten und im besten Falle auch das Geschäft der Zukunft bieten.

Wer sich in der deutschen Start-up-Szene umhört, der spürt einen Tatendrang. Der spürt eine Kreativität, die in der Routine und den festgezurrten Hierarchien etablierter Konzerne zu oft zermalmt wird. Der trifft Menschen, die voll und ganz in der digitalen Welt leben, in der es keinerlei Grenzen mehr gibt. Die Mitarbeiter in diesen deutschen Start-ups kommen aus der ganzen Welt - und die ganze Welt ist ihr Markt. Auch dank Facebook.

Mark Zuckerberg persönlich hat erst kürzlich eine neue Ära ausgerufen, vor der das World Wide Web stehe: Nun, da die Welt vernetzt ist, könne man sich daran machen, auf dieser Plattform etwas Neues aufzubauen. Dazu zählen Tauschbörsen, über die man sein Auto oder seine Bohrmaschine verleiht, wenn man sie gerade mal nicht braucht. Dazu zählen Spieleanbieter wie Wooga. Ob wirklich weitere neue Dienste dazukommen? Ob sie den Alltag erleichtern und auch langfristig ein neues Geschäft ermöglichen?

Ob die neue Ära des Netzes tatsächlich anbricht, wird auch davon abhängen, ob es Facebook schafft, aus der guten Geschichte eine noch bessere zu machen. Gelingt der Börsengang, erfüllt Facebook die enormen Erwartungen, so werden Anleger ihr Geld auch in die nächsten Neulinge im Netz stecken. Enttäuscht Facebook, so werden es die Nachfolger sehr viel schwerer haben.


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