Bloß nicht drängeln: In der Beziehung das richtige Tempo finden Bloß nicht …


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Viele Kinder aber keine Hochzeit, das wollen Brad Pitt und Angelina Jolie nach sieben Jahren ändern. (FOTO: DPA)

Halle (Saale)/MZ/DMN/DPA. 

Die Schmetterlinge kribbeln im Bauch, das Herz hüpft, wenn man den anderen sieht - alles scheint perfekt bei dieser neuen Beziehung. Doch dann legt der Partner ein ziemlich rasantes Tempo vor: zusammenziehen, heiraten, Kinder kriegen, und das alles innerhalb weniger Monate. Da kann und will nicht jeder mithalten.

„Es gibt keine Regeln, wann was passieren muss“

„Dass einem etwas zu schnell geht, ist ein subjektives Empfinden“, erklärt Jens Asendorpf, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychologie und Professor für Persönlichkeitspsychologie an der Humboldt-Universität Berlin. „Es gibt keine Regeln, wann in einer Beziehung was passieren muss.“ Daher könne einer etwas als zu schnell empfinden, während es für jemand anderen gerade richtig oder sogar zu langsam sei. „Geht uns also etwas zu schnell, sagt das zuerst einmal nur etwas über die Beziehung zu der anderen Person aus und dass wir beide ein unterschiedliches Empfinden haben.“

Das komme gar nicht so selten vor, erklärt Diplom-Psychologin Nicola Wendenburg. „Jeder von uns hat eigene Bedürfnisse und Zeitpläne für sein Leben, das passt nicht immer mit den Vorstellungen und Bedürfnissen anderer überein.“

Nach sechs Wochen „Ich liebe dich“

Psychotherapeutin Gabriela Jérôme ergänzt: „Jeder Mensch hat seine eigene Vorstellung von angemessenen Zeitbezügen. Ist es beispielsweise in meinem Lebensskript vorgesehen, dass ich, während ich auf Partnersuche bin, eine neue Bekanntschaft zunächst mindestens fünfmal in einem Lokal treffen muss, bevor es zu einem Kuss kommen darf?“ Sieht es der oder die andere auch so, wunderbar. Wenn nicht, fühle man sich vielleicht überrannt.

Geht der Partner schneller vor als man selbst, kann das unter Druck setzen. Zum Beispiel, wenn jemand nach einem halben Jahr Beziehung schon zusammenziehen will. „Das ist für die meisten Menschen erfahrungsgemäß zu schnell“, sagt Wendenburg. Dasselbe trifft zu, wenn jemand nach sechs Wochen Beziehung sagt „Ich liebe dich“. „So ein Satz erfordert eine Antwort - man gerät unter Druck und fühlt sich möglicherweise sogar überrollt“, sagt Wendenburg.

„Allerdings können die meisten Menschen nach sechs Wochen noch gar nicht sagen, ob sie jemanden lieben.“ Dann sei man eher verliebt, finde den anderen toll und sexy. „Lieben heißt jedoch, den anderen so anzunehmen wie er ist, mit allen Wenn und Aber.“

Was tun, wenn der Partner zu viel Druck macht?

  • Die eigenen Bedürfnisse nicht ignorieren Weil man den anderen nicht vor den Kopf stoßen will, gerät man in ein Dilemma. „Soll ich meinem Lebensskript folgen oder dieses verlassen? Und wenn verlassen, für wie lange und bis wohin?“, erklärt Psychotherapeutin Gabriela Jérôme. Etwas nur zu tun, weil es der andere will, kann auch keine Lösung sein. „Wer etwas nur macht, um den anderen nicht zu verlieren oder um einen Konflikt zu vermeiden, ignoriert die eigenen Bedürfnisse“, warnt Diplom-Psychologin Nicola Wendenburg.
  • Nicht zu viele Kompromisse eingehen Wer zu viele Kompromisse macht, schadet damit langfristig der Beziehung, weil infolge eigener, unerfüllter Bedürfnisse Unzufriedenheit entsteht, die uns dann irgendwann einholt. Sätze wie „Das habe ich nur dir zuliebe gemacht!“ sind dann programmiert.
  • Herausfinden, was der Partner möchte Was meint mein Partner mit dem Satz 'Ich liebe dich' und 'Ich möchte mit dir zusammenziehen?'. Ist das eine momentane Gefühlsäußerung, weil das Wetter schön, der Wein lecker ist und ich gerade hinreißend aussehe? Oder sagt er beziehungsweise sie mir das seit zwei Monaten alle paar Tage?“
  • Eigene Bedürfnisse und Gefühle klar benennen Möglicherweise weiß der Partner gar nicht, dass einem alles zu schnell geht. Vielleicht habe man es ihm noch nie gesagt. Das sollte geklärt werden, sagt Psychotherapeutin Jérôme. „Ich muss das offen und klar sagen, aber auch die Wünsche des Partners wertschätzen und gleichzeitig konsequent die eigenen Bedürfnisse, Ziele und Wünsche berücksichtigen.“ Es geht darum, einen gemeinsamen Konsens zu finden.
  • Bin ich ein Drückeberger? Nicht immer ist der Partner zu forsch. Manchmal drücke man sich selbst um bestimmte Schritte. „Wenn ich Panik kriege, weil der Partner nach eineinhalb Jahren sagt 'Ich liebe dich' und nach drei Jahren mit mir zusammenziehen möchte, dann sagt das viel über mich aus“, findet Psychologin Wendenburg. „Möglicherweise meide ich Nähe - aus welchen Gründen auch immer.“ Auch das sollte man mit dem Partner besprechen, zum Beispiel „Ich fühle mich mit dir und unserer Beziehung wohl. Dass ich mehr Zeit brauche, ist meine Baustelle, um die ich mich kümmern werde.“
  • Grund für Verlustängste Dass jemand schneller in der Beziehung vorprescht, kann unterschiedliche Gründe haben. „Vielleicht hat der Partner Angst, mich zu verlieren“, sagt Diplom-Psychologin Nicola Wendenburg. Das könne an früheren Erfahrungen liegen, etwa der Scheidung der Eltern oder einer negativ besetzten Beziehung. „Darüber sollte man reden und gemeinsam eine Lösung finden.“

Wann eine Beziehung noch zu retten ist oder ab welchem Zeitpunkt es besser ist, sich zu trennen – das ist oft eine sehr schwere Entscheidung. Die Zeitschrift Psychologie Heute-compact, 29, 2011 hat zehn Kriterien zusammengestellt, die darauf hindeuten, dass eine Partnerschaft gefährdet ist. Treffen mehrere Kriterien zu, ist eine Trennung möglicherweise ratsam. (FOTO: DPA)


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