Billige Forschung dank Gentests




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Billige Forschung dank Gentests

Die offene Gendatenbank Open SNP droht, für die Ethikkommission zur Knacknuss zu werden.

Sein Netzwerk lässt Facebook geradezu harmlos erscheinen: Open-SNP-Gründer Bastian Greshake. Foto: Andrea Diefenbach

Sein Netzwerk lässt Facebook geradezu harmlos erscheinen: Open-SNP-Gründer Bastian Greshake. Foto: Andrea Diefenbach

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Schutz des Ungeborenen

Der Bundesrat hat am Mittwoch die Totalrevision des Bundesgesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) in die Vernehmlassung geschickt. Hintergrund der Überarbeitung sind die grossen Fortschritte bei der Entschlüsselung des Erbgutes seit der Inkraftsetzung des Gesetzes im Jahr 2007. Unter anderem will der Bundesrat den heute geltenden Schutz des ungeborenen Kindes aufrechterhalten und deshalb die Anforderungen an vorgeburtliche Untersuchungen präzisieren, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) mitteilt. Unter anderem sollen künftige Eltern das Geschlecht ihres Kindes erst nach der zwölften Schwangerschaftswoche erfahren.

Bei Gentests werden vermehrt auch Informationen aufgedeckt, die für den eigentlichen Zweck der Untersuchung nicht benötigt werden, etwa Risikofaktoren für gewisse Erkrankungen. Wenn dies im medizinischen Bereich geschieht, soll der Patient selber entscheiden, welche Informationen er erhält. Ausserhalb des medizinischen Bereichs dürfen solche Befunde nicht mitgeteilt werden. Versicherungen dürfen weiterhin keine Gentests verlangen. Zudem dürfen Sozialversicherungen, aber auch private Lebens- und Invalidenversicherungen bis zu einer bestimmten Versicherungs­summe, keine bereits erstellten Gentests einfordern oder verwenden. (SDA/TA)

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Die kantonale Ethikkommission Zürich, zuständig für Gesuche von Humanforschern, erhält bald wichtige Post. Ulrich Genick, Dozent am Institut für molekulare Systembiologie an der ETH, wird demnächst um die Erlaubnis bitten, Genomdaten zu verwenden, die Internetnutzer öffentlich zur Verfügung gestellt haben. Der Fall dürfte der Kommission Kopfzerbrechen bereiten. Er könnte gar zum Präzedenzfall zur Erforschung von offenen Genomdaten werden. Gleichzeitig versucht der Bundesrat, dem Zugriff auf private Genomdaten neue rechtliche Schranken zu geben. Just gestern hat er die Totalrevision des Bundesgesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen in die Vernehmlassung geschickt.

Grundlage des Forschungsprojektes ist der Internetdienst Open SNP des Frankfurter Bioinformatikers Bastian Greshake. SNP − im Laborjargon «snip» ausgesprochen − steht für den Begriff «Single Nucleotide Polymorphism». SNPs sind vererbte genetische Varianten und damit etwas vom Persönlichsten, was der Mensch hat – nicht anonymisierbar, weil bei jedem einzigartig.

Am Anfang kein Zuspruch

Als der heute 30-jährige Doktorand Greshake vor vier Jahren ankündigte, er wolle mit zwei anderen Forschern aus dem eigenen Ersparten mit Genomdaten von Privatnutzern eine offene Datenbank bauen, gaben ihm wenige eine Chance. Auch deshalb, weil Greshake nichts dafür tat, seine Idee den Massen schmackhaft zu machen. Es gibt wohl keine abschreckenderen Nutzungsbedingungen als diejenigen bei Open SNP.

Dort steht: Wer Genomdaten hochlädt, muss damit rechnen, dass sie für immer im Internet herumschwirren; das Genom enthält nicht nur Informationen über einen selber, sondern über Kinder, Geschwister und Eltern. Wer mitmacht, sollte wissen, dass Forscher damit Krankheiten entdecken werden, deren Kenntnis vom Arbeitgeber, von Versicherungen oder der Regierung missbraucht werden könnten.

«Open SNP verspricht aber auch, eine der spannendsten Grundlagen für Forschungsprojekte in der Humanmedizin zu werden», so Greshake. Die Genom­analyse wird es künftig erlauben, Gesundheitsrisiken individuell einzuschätzen und mit geeigneten Therapien zu vermeiden. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Fall von Angelina Jolie. Aufgrund von genetischen Tests, die eine in ihrer Familie vererbte Veranlagung zu Brustkrebs anzeigten, entschied die Schauspielerin vorletztes Jahr, präventiv beide Brüste zu entfernen zu lassen. Ein anderes Feld ist die Ahnenforschung. Sie könnte dafür eingesetzt werden, lebende biologische Verwandte zu finden.

Diese Versprechen reichen den Nutzern offenbar. Mittlerweile hat die Datenbank weltweit Erbgut von 1500 Menschen im Angebot – gratis und offen im Web zugänglich. Pro Nutzer ergänzt mit bis zu 284 persönlichen Attributen, sogenannten Phänotypen, die der Nutzer selber einträgt. Bei Greshake steht zum Beispiel Haarfarbe: blond. Nikotinabhängigkeit: 10 Zigaretten pro Tag. Sexualtrieb: stark. Gegenüber dem, was Open SNP über seine Nutzer weiss, wirkt Facebook geradezu harmlos.

«Verwendet wurde Open SNP zuerst spielerisch», erklärt Greshake. Ein Programmierer hat zum Beispiel seine Genomdaten vertont. Das Lied «The Sound of Bastian Greshake» ist auf der Musikplattform Soundcloud publiziert.

Mittlerweile hat die offene Genomdatenbank so viele Nutzer, dass auch etablierte Wissenschaftler sich dafür interessieren. Der eingangs erwähnte ETH-Forscher Ulrich Genick etwa. Genick, früher Laborleiter bei Nestlé und heute am ETH-Institut für molekulare Systembiologie in Zürich, möchte die offenen Genomdaten dafür nutzen, die genetische Veranlagung für Geschmacks- und Geruchswahrnehmung zu erforschen.

«Das ist keine Hexerei», sagt Genick. Er arbeite mit der Methode der «Genome Wide Association Study». 90 Prozent aller Genomstudien würden damit gemacht. «Das Neue ist, dass wir mit dem Bring-your-own-genome-Modell bei Open SNP in der Lage sind, Studien mit vielen Teilnehmern durchzuführen – ohne dass sie Millionen kosten.»

Zur Einordnung: Bei Nestlé leitete Genick eine ähnliche Studie. Kostenpunkt: 4 Millionen Franken – Teilnehmerrekrutierung, Reisekosten, Testräume, professionelle Software und Datenbanken.

«Wie wir die Studie mit Open SNP geplant haben, wird das Ganze nur 10'000 Franken kosten.» Der Rest würde durch Freiwillige, Materialspenden und Open-Source-Software bewältigt. «Durch die geringeren Kosten kann man eine Studie lockerer angehen und etwas kreativere Fragen stellen als bei Projekten, die durch eine öffentliche Fördereinrichtung finanziert sind.» Denn diese erste gross angelegte Studie mit Open-SNP-Daten, betont Genick, sei kein offizielles ETH-Projekt, sondern wird von ihm privat in seiner Freizeit vorangetrieben.

Bevor der Forscher Genick auf die offenen Genomdaten losgelassen werden kann, braucht er die Einwilligung der Zürcher Ethikkommission. So sieht es das Gesetz vor. Doch es gibt ein Problem: «Der gegenwärtige Zulassungsprozess ist überhaupt nicht für die von uns geplante Art von Studie ausgelegt», behauptet Genick.

Die Entscheidungsgrundlage der Ethikkommission basiert auf dem traditionellen Verständnis von Naturwissenschaft: Hier der Forscher in seinem weissen Kittel; dort der uninformierte Teilnehmer, der an einem zentralen Ort an der Studie teilnimmt. Genick sagt: «Bei der Art von Citizen-Science-Studie, Bürgerwissenschaft, die mir vorschwebt, gibt es die Asymmetrie zwischen Teilnehmer und Forscher kaum.» Die Teilnehmer würden nicht vom Forscher rekrutiert, sondern umgekehrt. Teilnehmer würden sich diejenigen Forscher aussuchen, die ihnen helfen könnten, eine bestimmte Frage zu beantworten.

Gleichzeitig steht Open SNP im Konflikt mit dem Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (GMUG). Dass Private ihr Genom aus persönlichem Interesse bestimmen, ist darin nicht vorgesehen. Gentests sind nur anerkannt, wenn sie von einem Arzt bewilligt wurden. Private Gentests werden zwar toleriert, aber die daraus resultierenden Daten liegen in einem rechtlichen Graubereich.

Ein heikles Erbe

Eine Knacknuss für die Ethikkommission. Zumindest wird sie Open SNP künftig nicht mehr einfach ignorieren können. Vor der Anfrage von Bernerzeitung.ch/Newsnet hatten sich weder die Ethikkommission noch die schweizerische Expertenkommission für genetische Untersuchungen (Gumek) beim Menschen mit Open SNP beschäftigt und wollten sich deshalb auch nicht dazu äussern.

Weiter ist das Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte der Unversität Zürich. Die Ethikerin Effy Vayena hat selber schon einen privaten Gentest gemacht wie Tausende andere Schweizer auch. Genaue Zahlen gibt es nicht. «Aber ich warte damit ab, meine Genomdaten öffentlich zu machen», sagt Vayena. «Wie sich dies im regulatorischen Bereich entwickelt, ist unsicher.» Ausserdem habe sie minderjährige Kinder. Und die Kinder möchte die Ethikerin vorher fragen, ob sie einverstanden seien, dass die Gendaten ihrer Mutter, und somit auch die eigenen, für immer im Internet herumschwirren.
(Tages-Anzeiger)

Erstellt: 18.02.2015, 19:27 Uhr


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