Bekannter Psychoanalytiker: Horst-Eberhard Richter ist tot

Horst-Eberhard Richter starb am Montag im Alter von 88 Jahren nach einer kurzen schweren Krankheit in Gießen, wie die Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) am Dienstag in Berlin unter Berufung auf Richters Familie mitteilte.

Der Psychiater, Psychoanalytiker, Sozialphilosoph und große Humanist galt als eine der führenden Persönlichkeiten in der Bundesrepublik. Als wichtiger Vertreter der deutschen Friedensbewegung engagierte er sich gegen das nukleare Wettrüsten und prangerte auch früh die Zerstörung der Umwelt an.

Horst-Eberhard Richter wurde am 28. April 1923 in Berlin geboren. Dort studierte er Medizin, Psychologie und Philosophie. 1962 übernahm er einen der ersten deutschen Lehrstühle für Psychosomatik an der Universität Gießen und baute die Abteilung zu einem führenden Zentrum für psychosomatische Medizin auf. Er leitete das Institut 30 Jahre lang.

Seine ersten Bücher, in denen Richter ein neues Verständnis familiär verursachter Neurosen erarbeitete, wurden zu Klassikern psychoanalytischer Literatur. Sein Buch „Eltern, Kinder und Neurose“ aus dem Jahr 1963 gilt als Standardwerk der Kinderpsychologie und Erziehungswissenschaft. Für Richter war Psychoanalyse nicht nur eine tiefenpsychologische Behandlungsmethode, sondern ein Instrument der Aufklärung für eine sich sozialanalytisch begreifende Wissenschaft von Mensch und Gesellschaft. Von 1992–2002 leitete er das Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt am Main.

Medizin als pazifistische Aufgabe

Richter sah ärztliches Verhalten immer auch politisch. Die prinzipielle Verpflichtung aller Ärzte sei es, Leben zu schützen und sich nicht für politische Systeme instrumentalisieren zu lassen. Die Ärztin und der Arzt dürften der Obrigkeit nicht zur Verfügung stehen. Für Richter musste Medizin im Sinne ihrer lebenserhaltenden Aufgabe pazifistisch sein.

Der Aufbruch der Studentenbewegung Anfang der 70er-Jahre verlieh Richters Handeln wichtige Impulse. Er diskutierte mit Schülern und Studenten, nahm an Demonstrationen und Sitzblockaden teil und wurde zu einem wichtigen Gesprächspartner und Berater von Politikern im In- und Ausland.

Autor der „Frankfurter Erklärung“

Im Februar 1982 gehörte Richter zu den Mitbegründern der bundesdeutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges. Er übernahm die Arbeit der ersten Geschäftsstelle in Gießen und wurde neben Prof. Dr. Ulrich Gottstein, Dr. Helmut Koch und Dr. Knut Sroka in den ersten Sprecherrat der bundesdeutschen IPPNW gewählt. Er verfasste die berühmte „Frankfurter Erklärung“, in der sich Ärzte mit ihrer Unterschrift dazu bekannten, sich jeglicher kriegsmedizinischen Schulung und Fortbildung zu verweigern.

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