Bachelorstudium Hochschulwechsel schwer gemacht – FAZ

© Peter von Tresckow

Ausgerechnet ihre 1,7 in allgemeiner BWL wurde nicht angerechnet. Das Modul umfasst an der Universität Bonn hauptsächlich Personalökonomie, an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg aber auch Produktion, Logistik, BWL und Marketing. Die je 6 Credit Points in Investition und Finanzierung zählten an der neuen Hochschule nur noch als ein Leistungsnachweis mit 6,5 Punkten. Auch die 1,0 in Spanisch fiel unter den Tisch, die beiden Englischnoten wurden zu einer zusammengezogen. Von vier Semestern ihres Volkswirtschaftsstudiums in Bonn wurden Carolin Rang zwei an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin angerechnet. Sie wollte an eine Fachhochschule wechseln, weil ihr die Regelstudienzeit für den VWL-Bachelor mit sechs Semestern in Bonn völlig utopisch vorkam. Die unpersönlichen überfüllten Vorlesungen machten es auch nicht besser. Der Wunsch, ihre Studienbedingungen zu verbessern, hat sie ein Jahr gekostet. Darüber würde sie sich heute noch viel mehr aufregen, wenn sie sich nicht an der kleineren Hochschule so gut aufgehoben fühlte. „Ich ärgere mich aber immer noch über das Gesamtsystem, das einen Wechsel so schwierig macht.“

Im Internet sind in Chats viele solche Geschichten zu lesen. Egal ob die Liebe, Heimatnähe, andere Inhalte oder der gute Ruf einer Hochschule locken: Umzugswillige Bachelor-Studierende klagen über hohe Hürden für einen Wechsel. Dies ist kein Wunder, denn Zäsuren wie Vordiplom oder Zwischenprüfung gibt es in den neuen Studiengängen nicht. Und sie sind oft sehr spezialisiert, was Flexibilität kostet. „Der Aufwand zu wechseln ist für Studierende sehr groß geworden, weil sie sich intensiv damit beschäftigen müssen, welche ihrer Leistungen überhaupt angerechnet werden“, erklärt Jens Böcker, BWL-Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Das sei für ihn umso überraschender, da von der Bologna-Reform doch eine Standardisierung der Leistungsnachweise erwartet worden sei. „Mein subjektiver Eindruck ist, dass die Anrechnung der Credit Points beim Hochschulwechsel doch zu sehr überraschenden Ergebnissen führt. Denn von meinen Studenten höre ich, dass teilweise deutlich weniger Punkte angerechnet werden; ein anderer Student wiederum bekam mehr Punkte angerechnet, als er vorher hatte“, erzählt Böcker.

In der Bewegungsfreiheit gehemmt

Deniz Örtülü vom Studien-Servicecenter der Goethe-Universität in Frankfurt kann erklären, warum es bei den Bachelor-Studiengängen zu solchen Problemen kommt. „Sie sind viel schwerer vergleichbar geworden. Die Prüfungsämter haben das Problem, dass anderswo erworbene Punkte überhaupt nicht in ihre Prüfungsordnung passen. Das Land Hessen verpflichtet uns aber, bei jedem Bewerber genau zu prüfen, in welches Fachsemester er einzuordnen ist.“ Teilweise müsse allein aus terminlichen Gründen zurückgestuft werden, „wenn bis zu unserer Bewerbungsfrist die Leistungsnachweise der alten Hochschule noch nicht vorliegen“.

Die Unsicherheit, wie fremde Prüfungsämter ihre unabgeschlossenen Studienleistungen bewerten, hemmen aber angehende Akademiker in ihrer Bewegungsfreiheit. Das Hochschul-Informations-System (HIS) hatte 2008 - neuere Zahlen gibt es nicht - in einer Befragung von Studenten festgestellt, dass Studenten im Bachelorstudium wesentlich seltener wechseln als in den traditionellen Studiengängen. Nur ein Prozent der Befragten hatte mit einem Hochschulwechsel Erfahrung, was nicht an mangelnder Bereitschaft lag. Denn Umzugspläne hegte nach der Umfrage jeder fünfte Student.

6000 bis 8000 Wechselwillige

„Wenn der Statistik-Schein für Psychologie aus Berlin vom Zuschnitt oder Zeitaufwand plötzlich nicht mehr dem in Hamburg entspricht, kostet ein Wechsel einfach Zeit, Geld und Nerven.“ Von solchen Stolpersteinen hört Manfred Bähr jeden Tag. Seit vielen Jahren unterstützt er als Projektleiter der Tauschbörse Studienplatztausch.de Studierende in zulassungsbeschränkten Fächern beim Wechsel. 6000 bis 8000 Wechselwillige stellen hier jedes Jahr ihren Wunsch ein - jeder Dritte mit Erfolg. In Human-, Zahn- und Tiermedizin oder Jura sei die Kooperation der Universitäten bei einem Tauschwunsch gleichbleibend gut, berichtet Bähr. Nur in den Bachelor-Studiengängen sei es viel schwieriger als zu Diplomzeiten, einen Wechsel hinzubekommen. Für ihn ist das ein Ärgernis. „Wenn ich im Verlauf meines Studiums merke, dass meine Hochschule einen bestimmten Schwerpunkt nicht anbietet, muss es doch möglich sein zu wechseln“, findet Bähr. Schließlich gehe es um die Ausbildung fürs Leben. „Keiner unternimmt einen Wechsel aus Spaß. Meistens sind das sehr motivierte Studierende, die man nicht vor den Kopf stoßen sollte.“

Manche Studierende erzählen ihm, dass sie den Prüfungsämtern oder Fachbereichen am neuen Studienort schriftliche Inhaltsbeschreibungen ihrer Seminare vorlegen müssen. „Sie brauchen echtes Verhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen, damit ihre Scheine anerkannt werden. Und manchmal empfehlen wir sogar einen Rechtsbeistand“, sagt Bähr. „Stellen Sie sich mal vor, ein Elektrotechniker aus Bayern würde in Niedersachsen nicht als Elektrotechniker anerkannt. Das wäre ein Unding, und nichts anderes spielt sich manchmal an den Hochschulen ab.“

„Ein Kulturwandel für die Hochschulen“

Eine gute Lösung für Bähr wäre die Festschreibung bestimmter Tauschzeitpunkte. „In Medizin tauscht man zum fünften, siebten oder elften Semester. Genauso könnte man sagen, Psychologie kann man bis zum 3. Semester tauschen. Danach muss mit Zeitverlusten gerechnet werden.“ Örtülü von der Frankfurter Universität schlägt Ähnliches vor: eine bundeseinheitliche Rahmenordnung, die festschreibt, welche Module in welchem Semester zu machen sind.

Die Hochschulen hätten die Probleme der Studenten beim Wechsel der Hochschule stärker in den Blick genommen, versichert Monika Schröder, Referentin der Hochschulrektorenkonfenrenz. Die Priorität liege aber auf der europaweiten Vergleichbarkeit und Mobilität. Das sei Ziel der Bologna-Reform, daran würden die Hochschulen gemessen. „Wenn wir die noch bestehenden Probleme bei der Anerkennung von Studienleistungen lösen, wird davon aber ganz automatisch auch die inländische Mobilität profitieren“, sagt Schröder. Doch schon heute sei es gute Praxis, anzuerkennen, was vergleichbar sei. Die Lernergebnisse zählten; so sehe es die Bologna-Reform vor. „Dies ist ein Kulturwandel für die Hochschulen, der etwas Zeit braucht“, sagt Schröder.

Ein Wechsel ist besonders schwierig, wenn er einen zulassungsbeschränkten Studiengang betrifft oder wenn man in einen attraktive Großstadt wechseln möchte. „In Fächern wie Psychologie, BWL, Pädagogik müssen wir häufig allen Wechselwilligen absagen, weil wir überhaupt keine freien Plätze haben“, sagt Örtülü aus Frankfurt. Wenn ein Wechsel im Bachelorstudium nicht klappt, bleibt ein Trost: Im Masterstudium gibt es eine zweite Chance. Denn den Master machen viele an einer anderen Hochschule, wenn auch nicht immer freiwillig. Mobilität ist manchmal unabdingbar, um einen der begehrten Plätze zu bekommen.

Quelle: F.A.Z.
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Bachelorstudium: Hochschulwechsel schwer gemacht

Bachelorstudium

Hochschulwechsel schwer gemacht


Von Julia Wittenhagen

Die ersten Semester in Marburg, Abschluss in München: Das beweist Eigeninitiative. Im Bachelorstudium ist ein solcher Wechsel jedoch ein Kraftakt - und eine Ausnahme.

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