Aufmerksamkeit beeinflusst Hörvermögen

Kürzere Aufmerksamkeitsspannen sind eine Ursache für das nachlassende Hörvermögen im Alter. Zu diesem Schluss kamen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig.


Mit zunehmendem Alter klagen viele Menschen über Schwierigkeiten mit dem Gehör. Probleme, andere zu verstehen, treten besonders dann auf, wenn es in der Umgebung laut ist, oder wenn mehrere Personen durcheinander sprechen. Psychologen der Forschungsgruppe „Auditive Kognition“ des Leipziger Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften gingen nun auf Ursachensuche – und nahmen dabei nicht das Ohr selbst, sondern Aufmerksamkeitsprozesse im Gehirn unter die Lupe.

Hören unter Störbedingungen

In einem Experiment hörten 18 Probanden im Alter von 20 bis 30 Jahren und 20 Probanden im Alter von 60 bis 70 Jahren gesprochene Zahlen. Per Knopfdruck sollten sie jeweils angeben, ob die zweite Zahl größer oder kleiner war als die erste. Um eine dem Alltag ähnliche Hörsituation zu schaffen, überlagerten die Forscher die gesprochenen Zahlen mit einem Störgeräusch.
Manipuliert wurde zum einen die akustische Qualität des Gehörten, indem bestimmte Frequenzen aus dem Sprachsignal gelöscht wurden. Zum anderen variierte die Vorhersehbarkeit der Lösung: Denn bei einer sehr kleinen Anfangszahl, ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit höher, dass die zweite Zahl größer ist.

Messung der Alpha-Wellen

Während des gesamten Versuchs erfassten die Forscher die Gehirnaktivität ihrer Versuchsteilnehmer mit Hilfe der Elektroenzephalographie (EEG). Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die regelmäßigen Alpha-Wellen mit einer Frequenz von circa zehn Schwingungen pro Sekunde gelegt: Deren Anpassung an veränderte Hörsituationen verbessert in Alltagssituationen das Sprachverständnis.

Veränderte Aufmerksamkeitsprozesse

Es zeigte sich, dass sowohl jüngere als auch ältere Probanden von einer besseren Vorhersagbarkeit profitierten und schneller beim Lösen der Aufgabe waren. Entsprechend nahm auch der Ausschlag der Alpha-Wellen im EEG bei besserer Vorhersagbarkeit ab. Auch bei höherer Sprachqualität war eine solche Abnahme zu beobachten – allerdings war dieser Effekt der veränderten akustischen Qualität bei den Älteren stärker ausgeprägt: Sie profitierten mehr von höherer Sprachqualität und lösten auch die Aufgaben schneller. Offenbar verschiebt sich die Aufmerksamkeit im Alter stärker auf akustische Aspekte des Sprachsignals.

Generell war im Versuch zu beobachten, dass der Ausschlag der Alpha-Wellen während der Höraufgabe bei älteren Teilnehmern schneller abnahm als bei jüngeren, was auf eine stärker abnehmende Aufmerksamkeit hindeutet. Auch klagten besonders jene Probanden, deren Alpha-Wellen sich im Experiment nur wenig an veränderte Akustik und Vorhersagbarkeit anpassten, darüber, im Alltag mitunter Schwierigkeiten mit dem Sprachverständnis zu haben. Auf Grundlage dieser Ergebnisse betonen die Forscher die Bedeutung veränderter Aufmerksamkeitsprozesse für das Hörvermögen im Alter.

Literatur

Wöstmann, M., Herrmann, B., Wilsch, A. Obleser, J. (2015). Neural alpha dynamics in younger and older listeners reflect acoustic challenges and predictive benefits [Abstract]. The Journal of Neuroscience, 35 (4), 1458-1467.

12. Februar 2015
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft
Foto: Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften/Kerstin Flake

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