Arbeitsmarkt – Für Psychologen gibt es auch eine Karriere abseits der Couch

Jennifer Bomert musste nicht lange überlegen, was sie studieren will. "Ich hatte in der Schule einen Leistungskurs Psychologie, in dem ich die Grundlagen gelernt habe", sagt die 28-Jährige. So entschied sie sich für ein Psychologie-Studium. Zwar machte sie erst ein freiwilliges soziales Jahr, doch im Nachrückverfahren hätte sie auch im ersten Anlauf schon einen Platz bekommen. Dabei sind die Hürden hoch: Der Numerus Clausus für Psychologie liegt bei vielen Hochschulen bei 1,3 und höher.

Bomert machte zunächst in Wuppertal einen Bachelor, dann schloss sie einen Master in Bonn an. Dort spezialisierte sie sich auf Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie. Diesen Schwerpunkt hatte sie bereits während des Grundstudiums gesetzt. Eine Richtung, die immer gefragter wird, sagt Sörge Drosten, Partner bei der Unternehmensberatung Kienbaum. "Alle, die mit dem Schwerpunkt Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie studiert haben, sind auf die Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Psychologie vorbereitet", sagt er. Absolventen kümmern sich etwa in Unternehmen um die Personalentwicklung und führen unter anderem Assessment Center durch.

Die Arbeitslosenquote ist niedrig, Psychologen arbeiten in vielen Bereichen

Der Arbeitsmarkt hat sich für Psychologen in den vergangenen Jahren grundsätzlich positiv entwickelt. Die Arbeitslosigkeit liege auf einem niedrigen Niveau, sagt Susanne Lindner von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. "2013 gab es rund 111.000 Erwerbstätige, die ein Psychologiestudium absolviert haben." Das waren doppelt so viele wie knapp zehn Jahre zuvor. "Fast die Hälfte bot ihre Dienstleistungen auf selbstständiger Basis an." Psychologen sind dabei vor allem im Gesundheits- und Sozialwesen, aber auch im Bildungswesen oder in der Unternehmensberatung tätig. Der größte Arbeitgeber für Psychologen in Deutschland ist laut Knut Böhrnsen, Pressesprecher der Agentur für Arbeit Hamburg, die Bundesagentur für Arbeit selbst. Nadia Wilhelm ist Diplom-Psychologin und arbeitet als Verbundleiterin beim Berufspsychologischen Service (BPS) der Agentur für Arbeit Hamburg. Dabei leitet sie ein Team von zehn Psychologen und zehn Psychologisch-technischen Assistenten, die die Psychologen unterstützen. Die Abteilung ist innerhalb der Arbeitsagentur ein interner Dienstleister: Die Berufsberater und Arbeitsvermittler können sich an das Team wenden, wenn sie Rat brauchen und bei einem Arbeitssuchenden zum Beispiel nicht weiterkommen. Ebenso können die Arbeitsvermittler die Psychologen bei der Unterstützung der Arbeitssuchenden mit einbeziehen.

Neben dem Bereich der Wirtschaftspsychologie habe die Neuropsychologie einen großen Aufschwung erlebt, sagt Prof. Michael Krämer, Präsident des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Die Neuropsychologie befasst sich mit den Funktionen des Gehirns – mit dem Denkvermögen oder dem Gedächtnis. Wer in eine solche Nische will, muss sich über die vergleichsweise geringe Zahl von Arbeitsplätzen bewusst sein.

Nadia Wilhelm rät, sich im Studium frühzeitig Gedanken zu machen, in welcher Richtung man arbeiten möchte und dann praktische Erfahrung zu sammeln. "Psychologen können in einigen Bereichen arbeiten, etwa in der Bildungsarbeit und Weiterbildung, in der Marktforschung, in der Forschung generell oder in der Personalentwicklung." Dass Psychologen so vielfältige Möglichkeiten haben, dürfte manch einen überraschen. Sie wissen nämlich nicht nur, wie das Seelenleben aussieht, sondern auch, wie das System funktioniert, mit dem wir denken – etwa Gesetze der Gruppe, unter welchen Bedingungen der Mensch gut oder schlecht lernt, wie sich Gedanken auswirken oder auch wie Wahrnehmung funktioniert und der Mensch Dinge aufnimmt. Daher sind Psychologen auch bei der Entwicklung von Computerprogrammen oder Navigationsgeräten beteiligt. "Es geht dann darum, von woher die Stimme im Navi kommen sollte, damit sie nicht ablenkt", erklärt Wilhelm. "Und sie prüfen, wie ein Computerprogramm aufgebaut sein sollte, damit wir es intuitiv benutzen können."

In sehr speziellen Bereichen sind Stellen immer noch rar. Umwelt-, Sport- und Medienpsychologen arbeiten oft freiberuflich in Projekten. Wer Psychotherapeut werden möchte, muss nach dem Psychologie-Studium noch berufsbegleitend die Ausbildung zum Psychotherapeuten ergänzen. Doch fast die Hälfte der Absolventen arbeitet laut Krämer mittlerweile in der Wirtschaft und in anderen Einsatzbereichen und habe mit Psychotherapie kaum etwas zu tun.

Auch private oder Fachhochschulen bieten Psychologie mittlerweile an

Der Nachwuchs jedenfalls ist gesichert, sagt Lindner. Die Zahl der Psychologie-Studenten wuchs in den vergangenen Jahren deutlich. 2013/14 waren rund 60.000 Studenten für Psychologie eingeschrieben. "Das sind elf Prozent mehr als im Vorjahr und nahezu doppelt so viele wie vor zehn Jahren." Einiges hat sich außerdem geändert, seit das Diplom dem Bachelor- und Masterabschluss gewichen ist. "Es gibt vermehrt Kombinationsstudiengänge, nicht mehr nur die reine Psychologie", sagt Krämer. Auch seien die Universitäten schon lange nicht mehr der einzige Anbieter von Studiengängen. "Sowohl die Fachhochschulen, als auch die privaten Hochschulen und die Fernunis haben viele Studenten, die diese Richtung studieren." Doch mit nur einem Abschluss ist es in der Regel nicht getan: "In der Psychologie qualifiziert ein Bachelor-Abschluss nicht ausreichend für das Berufsfeld", sagt Krämer. Die meisten Studierenden machen anschließend ihren Master.

Jennifer Bomert arbeitet als Personalentwicklerin bei einer Baumarktkette in Dortmund. Hier arbeitet sie in einem kleinen Team daran, die Mitarbeiter auszubilden und zu schulen. Auch das ist ein Gebiet, in dem wohl die meisten Menschen einen Psychologen nicht vermutet hätten.

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