Arabiens fromme Pionierin

Zuletzt aktualisiert: 24.04.2012 um 20:30 UhrKommentare

Aischa Al-Mannai (53) führte als erste Frau einer Scharia-Fakultät.

Kampf und Kontemplation könnte als Motto über ihrem Leben stehen. Aischa Al-Mannai weiß sich zu behaupten in der Welt islamischer Gelehrter. Und sie weiß die Tiefen des Selbst zu erkunden, seit sie als junge Studentin nach Kairo ging, um die mystischen Seelenreisen der Sufis kennenzulernen.


Ihre Eltern in einem Wüstendorf in Qatar daheim konnten weder lesen noch schreiben. Doch die Hochbegabte hatte sich schon früh in den Kopf gesetzt, Psychologie zu studieren. Da es das Fach vor 35 Jahren am Golf nicht gab, entschied sie sich für islamisches Recht und islamische Philosophie. Heute ist Aischa Al-Mannai die erste und einzige Dekanin einer Fakultär für Scharia-Recht in der arabischen Welt und eine der führenden weiblichen Intellektuellen der Region.

Das gelang nicht ohne Konflikte. Als sie 2003 für das Spitzenamt an der Universität von Qatar berufen wurde, schalteten sämtliche männliche Scharia-Direktoren Arabiens auf Boykott. Alle akademischen Treffen wurden abgesagt. Mit einer Frau wollten die Herren über Fatwas, islamische Jurisprudenz und göttliche Strafen nicht an einem Tisch sitzen, geschweige denn diskutieren. Doch Aischa Al-Mannai übt mittlerweile ihrer dritten Amtsperiode aus. Die frommen Rechthaber aus den arabischen Staaten gaben ihren Widerstand auf und beriefen die akademischen Regionaltreffen wieder ein.

Nur einer, ihr Lehrer Scheich Yusuf Al-Qaradawi, ist ihr Gegner geblieben. Der erzkonservative 85-Jährige gilt als geistlicher Übervater der mächtigen Muslimbruderschaften in den Staaten des arabischen Frühlings. "Er ist nicht der Koran", sagt Aischa Al-Mannai. Die Scharia verbiete nicht die Karriere einer Frau. Auch sei eine islamische Regierung verpflichtet, Frauen und Männer gleichzubehandeln, ermahnt sie die Muslimbrüder.

Diese Haltung ist für sie "ein Problem der Mentalität". Sie selbst ist unverheiratet, ungewöhnlich in einer so traditionellen Gesellschaft. "Wir können uns nicht einfach zurücklehnen und abwarten", sagt sie. "Die globale Welt hat ein so hohes Tempo. Und wir müssen lernen, Schritt zu halten."

MARTIN GEHLEN, KAIRO



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