„Animal Hoarder“ verlieren die Kontrolle: Hunderte Deutsche sammeln …

Es fängt oft mit einer gut gemeinten Geste an: Menschen nehmen eine Katze oder einen Hund bei sich auf oder planen, Meerschweinchen zu züchten. Irgendwann kommt noch ein Tier dazu und noch eins – bis der Besitzer den Überblick verliert und die Tiere darunter leiden. Ein Minimum an Futter und Hygiene sind dann nicht mehr gewährleistet. Dieses Phänomen wird als „Animal Hoarding“ bezeichnet. Es wurde in den 1990er Jahren in den USA beschrieben, wo es inzwischen als Krankheit gilt.

Im Durchschnitt 100 Tiere leben bei Menschen, die zwanghaft Vierbeiner oder Vögel sammeln. Meist seien die Tierhorter arbeitslos, weiblich und über 50 Jahre alt, fand Tina Sperlin für ihre Dissertation im Fach Veterinärmedizin der „Tierärztlichen Hochschule Hannover“ heraus. Die Doktorandin hat erstmals Fallzahlen für Deutschland ermittelt. Eine bundesweite Befragung aller Veterinärämter ergab, dass in Deutschland 52 569 Tiere von 501 Hortern gehalten werden. Jedes zweite Veterinäramt beschäftigte sich schon mit Fällen von „Animal Hoarding“.

Bislang fehlten „belastbare Zahlen, weil sie nicht erhoben werden müssen“, sagt Madeleine Martin, seit fast 20 Jahren Hessens Landestierschutzbeauftragte. Nach ihrem Eindruck nimmt das Problem zu: „Als ich in Hessen anfing, erinnere ich mich an zwei Fälle in drei Jahren. Heute habe ich fünf Fälle pro Jahr“, sagt Martin.

Dem Sammler die Tiere einfach wegzunehmen, bringt nichts

Tierhorter hätten oft soziale, familiäre oder wirtschaftliche Probleme, sagt Sylvia Heesen, Vorstandsmitglied bei der „Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz“ (tvt). Nach ihrer Erfahrung leidet mehr als ein Drittel der Betroffenen unter seelischen Erkrankungen wie Zwangsstörungen, Alkoholabhängigkeit oder Depressionen.

Nur tierschutzrechtlich könne das Problem nicht gelöst werden, vielmehr bräuchten die Betroffenen psychologische Hilfe, sagt Heesen. „Viele Ärzte haben aber noch nie von diesem Phänomen gehört.“ Es müsse als Krankheitsbild anerkannt werden. Den Menschen die Tiere einfach wegnehmen, sei wenig effektiv. Sie würden dann einfach in eine andere Stadt ziehen, um dort von vorne anzufangen. Das bestätigt die Studie: Jeder Fünfte nimmt demnach wieder Schützlinge ohne Wissen des Veterinäramtes bei sich auf. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es am besten ist, wenn wir ihnen eine gewisse Zahl an Tieren lassen und die Menschen regelmäßig kontrollieren“, meint Heesen.

Aufmerksame Nachbarn verständigen das Veterinäramt

Sie hält die Betroffenen auch nicht für Tierquäler. Doktorandin Sperlin zählt fast 40 Prozent zur Kategorie des „übertriebenen Pflegertypen“. Der lebe meist isoliert, sorge anfangs gut für die Tiere, verliere aber irgendwann die Kontrolle, weil etwa die Tiere nicht kastriert würden.

Auch der Bundesverband praktizierender Tierärzte (BPT) kennt solche Fälle, wie Verbandsgeschäftsführer Heiko Färber berichtet. Diese würden meist durch Zufall oder aufmerksame Nachbarn entdeckt. Das Problem sei nur schwer einzuschätzen, weil die Betroffenen selten selbst zum Tierarzt kämen, sagt er.

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