Alt-Kanzler Kohls Sohn: "So fand ich mein Glück!"

Von Psychologie aktuell Redakteurin Vera Wagner.

Sein Vater hat Deutschland so lange geprägt wie kaum ein anderer Politiker: Sechzehn lange Jahre war Helmut Kohl der "ewige" Bundeskanzler. Sein Sohn Walter hat in diesen Zeiten vieles durchmachen müssen, seine Mutter Hannelore ist daran zerbrochen. Nach einem langen Weg zu sich selbst, ist er jetzt "angekommen". Im Interview mit Psychologie aktuell Redakteurin Vera Wagner, erklärt er seinen Pfad zum Glück.

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Vom Kanzler-Sohn zum reifen Mann

Psychologie aktuell: Vom abgeschirmten Kanzler-Sohn zum reifen Mann. Was ist für Sie Glück?

Walter Kohl: Glück ist der Moment des perfekten inneren Einklangs, wenn die Dinge zusammenpassen. Das ist aber immer nur ein kurzer Moment. z.B. früher als Schüler, wenn man im Fußball ein richtig geiles Tor geschossen hat. Oder wenn man in Mathe eben nicht eine Vier, sondern überraschend eine Zwei schrieb. Aber Glück ist situativ, kurzlebig, nicht andauernd. Das unterscheidet es von der Lebensfreude.

© Walter Kohl (2015)
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Zur Person:
Walter Kohl ist der ältere Sohn des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl und dessen erster Ehefrau Hannelore. Von 1985 bis 1989 studierte er an der Harvard University (USA) Volkswirtschaft und Geschichte. Sein erstes öffentliches Interview gab er im August 2008 in der Zeitschrift "Bunte". Er äußerte Befremden, dass er und sein Bruder Peter nicht zur Hochzeit seines Vaters mit Maike Richter eingeladen waren. Im Januar 2011 legte er sein Buch "Leben oder gelebt werden: Schritte auf dem Weg zur Versöhnung" vor, in dem er seinen persönlichen Werdegang und den Umgang mit den besonderen Herausforderungen seiner Herkunft beschreibt. 2011 erhielt Walter Kohl für sein Buch beim Health Media Award einen Sonderpreis "Mut zur Courage". Sein zweites Buch (Titel: "Leben was du fühlst") erschien 2013.

Psychologie aktuell: Manche sagen ja, es gibt Menschen, die haben immer Glück und es gibt Pechvögel. Und es heißt, man sei seines Glückes Schmied. Kann man das so sehen?

Walter Kohl: Das Wort „immer" stört hier ein bisschen. Ich würde sagen, man ist in weiten Teilen seines Glückes Schmied, aber manchmal ist das Leben auch grausam und manchmal hat man auch schlicht und einfach Pech.

Ein Beispiel. Ich habe in den 90er Jahren jemanden eingestellt, dessen Familie im Sommer 1961 zur Oma gezogen ist, denn Oma war krank. Sie kamen aus Berlin Wannsee und haben dann bei Oma in Klein-Machnow in Brandenburg gelebt. Und am 13. August ging die Mauer hoch, keine 500 Meter entfernt.

Oder stellen Sie sich vor, sie wären nicht in Deutschland geboren, sondern in Syrien. Sie sind Flüchtling, so wie es meine Mutter 1945 war. Warum ich? Schnell kann uns der Hader mit Ungerechtigkeiten beherrschen. Manchmal ist es ist so schwer, nicht zu hadern und die Realitäten zu akzeptieren.

Zu versuchen mit dem, was möglich ist, insbesondere unter Berücksichtigung unsere Schwächen und gegebener Grenzen, neue Antworten zu finden und umzusetzen. „Was fordert das Leben von dir JETZT?" Ich denke, dass diese Frage uns leiten sollte.

Psychologie aktuell: Könnte man vielleicht auch sagen, glückliche Momente, an die man sich erinnert, sind das Webmuster des Lebens. Also etwas, das einen auch nährt, wenn es schwierig wird. Dass man sich sagt, ja, es gab doch auch ganz andere Momente. Also: Dieses Erinnern und auch Dankbarkeit zeigen?

Dankbarkeit und Demut sind untrennbar

Walter Kohl: Ja, besonders Dankbarkeit und Demut. Für mich sind diese beiden Einstellungen untrennbar. Demut heißt ja auch, das eigene Anspruchsdenken in einer klugen, einer nachhaltigen Bahn zu halten und nicht „Salzwasser zu trinken". Also Mut in der Selbstüberwindung zu zeigen.

Denn je mehr Salzwasser ich trinke, desto voller werde ich, aber desto durstiger und gieriger bleibe ich. Meiner Meinung nach sind die glücklichen Momente des Lebens wie Trittsteine in einem Rasen. Die Erinnerung an sie schenkt uns Kraft und ein inneres Lächeln.

Aber Glück hat für mich noch eine Bedeutung, die in der Wortbedeutung steckt. Glück kommt von mittelhochdeutsch „gelücke". Und gelücke heißt gelingen. Und wenn etwas gelingt, wenn wir uns dafür eingesetzt haben, dafür vielleicht sogar gelitten haben, dann ist es Glück. Das Geschenkte stiftet zumeist kein Glück.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel, welches ich in meinen Veranstaltungen gerne nutze. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Fußball-WM Brasilien 2014, wenige Tage vor dem ersten Spiel. Jogi Löw sitzt mit seinem Team bei einer Taktikbesprechung und auf einmal klingelt das Telefon. Die Fifa meldet sich und sagt: "Herr Löw, wir haben eine gute Nachricht für Sie. Alle anderen Teams haben abgesagt. Sie sind hiermit Weltmeister, kommen Sie bitte morgen nach Rio und holen sich den Pokal ab. Herzlichen Glückwunsch!"

Glauben Sie die Mannschaft und Herr Löw wären glücklich mit diesem Gewinn der WM? Wohl kaum. Und warum? Eigentlich, von der Logik her, wäre es ja genial. Sie müssen sich nicht durch die Gruppenphase, dann die K.O.-Phase kämpfen, niemand wird kritisiert, es gibt kein Risiko des Scheiterns. Eigentlich pures Glück, oder?

Glück hat etwas mit Gelingen zu tun

Nein, denn es gäbe kein Gelücke, kein Gelingen. Und deshalb glaube ich, dass wir uns auch immer wieder daran erinnern müssen, dass Glück etwas mit Gelingen zu tun hat. Und wenn etwas gelingen soll, dann muss man sich dafür einsetzen, ein Risiko eingehen, sich überwinden, die alte Komfortzone verlassen.

Psychologie aktuell: Trotzdem frage ich jetzt ganz emotional. Was war der glücklichste Moment in Ihrem Leben? Gibt es den? Können Sie den hier und jetzt benennen?

Walter Kohl: Ich würde sagen, es gab und gibt eine Reihe von glücklichen Momenten, für die ich sehr dankbar bin: die Geburt eines Kindes, Momente großer Intimität, großer Liebe. Der friedliche Fall der Mauer, dass ich die Öffnung des Brandenburger Tores 1989 hautnah erleben durfte. Glück waren bestimmte berufliche Situationen, besonders Erfolge, die einem zuvor nicht zugetraut worden waren.

Ich halte nicht viel davon, Erlebnisse in eine Art Glücks-Hitparade zu packen. Wichtig ist etwas anderes. Wichtig ist, dass wir unser Glück annehmen, wenn es da ist. Das wir aber auch wissen, dass dies nicht selbstverständlich ist und dass wir etwas dafür tun müssen.

Psychologie aktuell: Der Buchmarkt ist voller Bücher, die uns sagen, wie wir glücklich werden können. Eine Anleitung zum Glücklich sein, macht das wirklich Sinn aus Ihrer Sicht?

Es gibt keinen Ikea-artigen Bauplan für Glück

Walter Kohl: Es gibt keinen Ikea-artigen Bauplan nach dem Motto: man nehme, man mache, man tue. Glück ist flüchtig, spirituell und nicht managebar oder gar beherrschbar. Die Tatsache allerdings, dass es einen so breiten Markt für diese Bücher oder auch Hörbücher gibt, zeigt ja, dass es ein großes Bedürfnis, eine weitverbreitete Sehnsucht nach Glück gibt.

Ich glaube, jeder muss seinen eigenen Glücksweg finden, aber abgucken ist doch erlaubt. Hier können Erfahrungen und Tipps anderer Menschen sehr helfen und nicht jeder muss das Rad neu erfinden.

Das ist für mich ein bisschen wie eine Fremdsprache zu erlernen. Wenn Sie jetzt Französisch, Spanisch oder Russisch erlernen wollen, dann müssen Sie sich auf die zunächst neue, fremde Konvention einlassen. Sie müssen Grammatik, Vokabeln, vielleicht auch eine andere Schrift - etwa kyrillisch - erlernen. Und ich glaube, genauso ist es mit unserer Fähigkeit, sich dem Glücklich sein zu nähern.

In der Schule wird viel gelehrt, zumeist formales und oft auch totes Wissen. Themen rund um Lebensgestaltung oder Glück kamen zumindest in meiner Schulerfahrung nicht vor, leider. Hier musste das Leben als Lehrmeister herhalten und dann haben auch so manche Bücher ihre Berechtigung.

Psychologie aktuell: Lieber Herr Kohl, haben Sie herzlichen Dank für dieses nette Gespräch!

Walter Kohl: Gerne!

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