Als Psychologie in China noch verboten war – Rhein

Von Annette Schröder

Hirschberg-Großsachsen. Eigentlich mag sie den "Rummel" um ihre Person überhaupt nicht. Doch da muss die Großsachsenerin Margarete Haaß-Wiesegart jetzt durch. Am Freitag wird der Psychotherapeutin nämlich die Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren, Katrin Altpeter, im Rathaus das Bundesverdienstkreuz am Bande überreichen. Diese hohe Auszeichnung erhält sie verdient, auch wenn es der 61-Jährigen immer wieder wichtig ist zu betonen, "dass viele Leute mitgewirkt haben".

Dabei geht es um ihr Engagement in der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit. Sie hat nämlich psychotherapeutische Ausbildungen in China organisiert. Und das war damals schon fast revolutionär, weil es sie in dieser Form einfach nicht gab.

Schon die Diplom-Arbeit von Haaß-Wiesegart, die sie zusammen mit einer Freundin schrieb, drehte sich um die Behandlung psychisch Kranker in China. Doch wie kommt man eigentlich darauf? "Wir haben idealisiert auf China geguckt, auch wegen der Studentenbewegung", sagt Haaß-Wiesegart.

Beim Deutschen Akademischen Außendienst (DAAD) bewarb sich die Psychologin sodann um ein Postgraduierten-Stipendium in Peking. Es klappte, und die damals 26-Jährige landete 1976 in China. Drei Tage zuvor war Mao Zedong gestorben, was sie durch einen Aushang der Rhein-Neckar-Zeitung in Heidelberg erfahren hatte.

So kam sie in ein Land, das arm war, unter dem Einfluss der Kulturrevolution stand - und vor allem trauerte. "Tagelang wurde Trauermusik gespielt, und die Menschen waren vollkommen verunsichert", erinnert sich Haaß-Wiesegart. In der "Halle des Volkes" kondolierte die Gruppe am Glassarg von Mao. Es war erst die dritte Gruppe von Stipendiaten, die seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und China vom DAAD in die Volksrepublik geschickt wurde. Und die erleben erst einmal einen Kulturschock. Schließlich war Psychologie zehn Jahre lang in China verboten. Fährt man da als Psychologin nicht mit einem unguten Gefühl in das fremde Land? "Nein, ich hatte einen positiven Blick auf China", lächelt Haaß-Wiesegart,

Allerdings erfährt sie dann vor Ort, dass beispielsweise die Betreuerin der Gruppe Psychologin ist, sie aber "degradiert" wurde - zur Betreuung der ausländischen Studenten.

Psychologie galt laut Haaß-Wiesgerat als verpönt, weil sie entweder zu sehr naturwissenschaftlich orientiert war und damit den sozialen Aspekt vernachlässigte oder zu sehr das Individuum in den Vordergrund stellte. Psychologen galten als Intellektuelle und wurden zur "Umerziehung" aufs Land geschickt. Auch die Großsachsenerin machte dorthin einen Ausflug und pulte dort Erdnüsse. Auch die Patienten fristeten ein trauriges Dasein. Behandelt wurden in Kliniken vor allem die schlimmen Fälle, die Kranken ruhiggestellt mit Medikamenten. Erst 1978 fand die erst offizielle Psychologie-Vorlesung statt.

Als sie nach Deutschland zurückkehrte, arbeitete sie erst in der Psychiatrie in Göppingen, dann baute sie in Hamburg eine psychatrische Ambulanz mit auf. Der Kontakt aber nach China blieb. Sie war beeindruckt vom Engagement der chinesischen Kollegen, irgendwie Anschluss an den internationalen Standard zu bekommen.

Gemeinsam mit der Sinologin und Psychotherapeutin Kathrin Scherer organisierte die Großsachsenerin eine Reise für chinesische Psychiater nach Deutschland. Und im Jahr 1988 veranstaltete sie mit dem Vizechef der Psychiatrischen Klinik für die Provinz Yunan, Professor Wan Wen Peng das erste psychotherapeutische Symposium in Kunming. Viele Austausche folgten - und dann 1997 ein bedeutendes Jahr: Damals organisierte sie erstmals die mehrjährige psychotherapeutische Ausbildung. "Bis heute konnten dadurch 1200 Kollegen ausgebildet werden", freut sich Haaß-Wiesegart.

Viel hat sich seitdem getan - und China sich weiterentwickelt. Für zahlreiche Menschen bringe dies auch Verunsicherung mit sich. Soziale Phobien seien beispielsweise stark ausgeprägt. Auch der Narzissmus ist durch die Kapitalisierung ein Thema geworden. Fernsehsendungen über psychologische Probleme seien angesagt, erzählt Haaß-Wiesgerat.

Nach wie vor liegen ihr China und die Menschen dort am Herzen, weshalb sie sich schon darauf freut, im Jahr 2013 das 25-jährige Bestehen der Kooperation mit einem Kongress und einem Festakt feiern zu können.

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