Alles muss raus!

Hannover. Prof. Dr. Peter Walschburger lehrt Psychologie an der FU Berlin. ZiSH erklärt er, wieso es so schwer ist, sich von alten Dingen zu trennen, warum es aber manchmal wichtig ist.

Herr Prof. Walschburger, wieso ist es so schwer, sich von Dingen zu trennen?

Der Mensch fixiert sich auf Dinge, die neu und aufregend sind. Alte, sich nicht Verändernde geraten aus dem Blickfeld. Dann bedeutet es Extraanstrengung, sich dem Alten wieder zuzuwenden und Ordnung zu schaffen. Beginnt man mit dem Aussortieren, dann schwelgt man in Erinnerungen und einem blutet das Herz, diese Erinnerungen wegzuwerfen.

Wieso ist es wichtig, mal loszulassen?

Wenn das Chaos, in dem manche Menschen besser und manche schlechter leben können, zu groß wird, und wenn man etwa Unterlagen, die man benötigt, zu lange suchen muss, dann wird es Zeit, Unwichtiges auszusortieren.

Nach dem Aufräumen fühlt man sich meistens erleichtert und stolz. Warum?

Vor dem Aufräumen lässt man Probleme immer größer werden. Die Unordnung wird zu einer Belastung im Hintergrund. Es entsteht ein Leidensdruck. Das Aufräumen entlastet, man fühlt sich besser, weil das Problem beseitigt ist. Es gibt aber auch positivere Oberziele: etwa wenn man alte Sachen verschenkt oder Bedürftigen gibt. Dann kommt eine soziale Komponente hinzu und das Gefühl „Jetzt habe ich etwas Gutes getan“.

Nach dem Konsumkritiker Dave Bruno reichen 100 Dinge, um glücklich zu sein. Stimmt das?

Besitztümer führen nicht zwangsläufig zum Glück. Aber prähistorisch sind Menschen Jäger und Sammler, das Horten von Dingen verschaffte Sicherheit und Macht. Glück machen aber vor allem menschliche Beziehungen aus. Denn diese Beziehungen haben eine höhere Intensität als die Freude über neue Güter. Im Umkehrschluss ist das Zerbrechen menschlicher Beziehungen dann aber auch unglück­stiftender als der Verlust von Besitz.

Ordnung schaffen und sich von Altlasten befreien gehört bei vielen zu den guten Vorsätzen für das neue Jahr. Aber auch der Frühjahrsputz ist an eine Jahreszeit gebunden. Helfen solche Rituale, einen Impuls zu liefern?

Ja, sie sind sinnvoll und gut. Die Menschen schaffen sich ihren Anreiz damit selbst: Jetzt kommt ein Neuanfang, also alles Alte weg. Der Ruck ist zeitlich festgeschrieben. Einmal im Jahr aufzuräumen reicht bei den meisten aber nicht aus.

Was sind denn Strategien, die hilfreich sein können, um endlich mal anzufangen?

Künstliche Rituale erfinden zum Beispiel. Ordnung im Kleinen schaffen, sodass es einfach zu bewältigen ist. Vielleicht jeden Tag vor dem Schlafengehen. Wenn das zur Gewohnheit geworden ist, muss man sich nicht jedes Mal wieder motivieren. Um Dinge loszuwerden, von denen man sich schwer trennen kann, kann es helfen, ein Zwischenlager einzurichten. Sind sie drei Jahre lang unangetastet, können sie weg. Wichtig ist, Prioritäten zu setzen: Was ist wichtig und was nicht.

Sich von materiellen Dingen zu trennen ist eine Sache. Aber wie wird man Gedanken los, die einem im Kopf herumschwirren?

Nicht zu Ende geführte Projekte erzeugen eine Anspannung im Kopf. Man muss diese Projekte zu Ende führen, Wichtiges von Unwichtigem trennen und Projekte, die nicht abgeschlossen werden können, aus der Wahrnehmung befördern.

Die Fragen stellte Friederike Vogel

Weg mit falschen Freunden

Es hätte so ein schöner Sonnabendmorgen werden können: Frühstücksei, frisch gebrühter Kaffee, die Lieblings-Sitcom im Fernsehen und dann einmal sehen, was die Freunde so vorhaben. Das Notebook ist zum obligatorischen Blick auf Facebook aufgeklappt, und da sind sie auch schon: „Na super, da hat man schon gar keine Lust mehr aufs Wochenende“ oder auch „Ernsthaft, ihr könnt mich alle mal!“. Mit der Statusfunktion haben Miesepeter ein neues Spielzeug gefunden, um anderen ihr Selbstmitleid aufzudrängen.

Das kann runterziehen. Die gute Nachricht ist: Es lässt sich abstellen. Denn meist sind es immer dieselben Kandidaten, die ihr digitales Umfeld zu belästigen wissen. Wer da keine Lust mehr drauf hat, den Kontakt aber wahren möchte, kann einfach das Abonnement für die Statusmitteilungen der Person deaktivieren.

Das hat nichts mit Herzlosigkeit zu tun: Wer Hilfe will, soll sie bei seinen Freunden suchen, statt wahllos das Web 2.0 zu überfluten.

Doch das Ausmisten kann auch in Freundeslisten und im Handy-Telefonbuch weitergehen: Könnte sich die Nummer meines alten Arbeitgebers noch mal als nützlich erweisen? Nein, der Job hat sowieso genervt. Brauche ich den alten Kumpel in meiner Liste, zu dem der letzte Kontakt Monate, wenn nicht Jahre zurückliegt? Fehlanzeige. Man hat sich auseinandergelebt. Und den Namen vor der Nase zu haben, schafft höchstens melancholisches Schwelgen in der Vergangenheit und das schlechte Gewissen, sich nicht mehr gemeldet zu haben. Letztlich hilft es nur, ehrlich zu entscheiden, wann es Zeit ist abzuschließen. Dann klappt’s auch wieder mit dem entspannten Sonnabendmorgen.

Joss Doebler

Ein Hausputz für das Glücksgefühl

Die alte Tasche? Seit drei Jahren nicht mehr getragen – muss raus. Der Stapel Musikzeitschriften mit längst getrennten Bands? Ausgelesen und zerfleddert – raus damit!

Es gibt Menschen, die behaupten, 100 Gegenstände im persönlichen Besitz seien für ein glückliches Leben genug. Schon ein Blick auf den Schreibtisch zeigt etwa 30 Dinge. Von Bücher- und CD-Regalen ganz zu schweigen. Der „100-Dinge-Herausforderung“, die der konsumkritische amerikanische Blogger Dave Bruno („guy named dave“) 2008 ins Leben rief, haben sich inzwischen eine Reihe von Menschen erfolgreich gestellt. Von ihren positiven Erfahrungen mit sogar nur 97 Besitztümern berichten sie im Internet.

Für Otto Normalverbraucher wohl ein etwas übermütiges Vorhaben. Doch ein wenig Ausmisten geht auch in den meisten Studentenzimmern ganz ohne Trennungsschmerz. Der Stapel Bücher, seit drei Jahren unangetastet im Regal? Darüber freut sich ein anderer. Zwei Locher auf dem Schreibtisch? So viel Papierkram wirft nicht einmal die Uni ab. Durch kräftiges Reinemachen wird eine Kommode überflüssig? Ab in den Secondhand-Laden. Welch beschwingtes Gefühl, wenn sackweise Altpapier in den Container wandern! Je weniger Plunder die Räume vollstellt, desto freier fühlt man sich. Und das schafft Platz für neue Entfaltungsmöglichkeiten. Ballast abzuwerfen lohnt sich also, ehe das neue Jahr erst richtig in Fahrt kommt. Umso besser, wenn dabei nicht nur die vertrocknete Nordmanntanne aus dem Fenster fliegt.

Malte Mühle

Urlaub im Kopf

Arbeit, Termine, Erwartungen. Kurz: Stress. Vor lauter Eindrücken, die täglich auf uns einprasseln, scheint manch einer nicht mehr zu wissen, wo vorne und wo hinten ist. Unsere Köpfe rauchen. Nehmen wir uns nicht genug Zeit, um das Chaos im Kopf zu ordnen? Was kann man im Alltag tun, um den Kopf zu entrümpeln?

Es braucht Organisationstalent, um Momente der Ruhe in den Tagesablauf einzubauen. Doch wahre Ruhe zu finden ist leichter gesagt als getan, denn Smartphones und Facebook sind allgegenwärtig. Deswegen ist es wichtig, sich auch mal von der Umwelt abzukapseln und nicht für andere erreichbar zu sein. Man sollte einen Ort haben, an dem man sich wohlfühlt und das Gefühl hat, sich entspannen zu können. Das kann die heimische Couch oder ein Platz im Freien sein. Man sollte sich Zeit nehmen, um erst einmal herunterzuschalten und in der Pause anzukommen. Um seine Gedanken zu formulieren, kann es helfen, sie aufzuschreiben.

Man muss nicht ins Kloster gehen, um den Kopf frei zu bekommen. Aber man kann. Hinter dicken Klostermauern findet man Ruhe, sich auf Dinge zu konzentrieren, die wirklich zählen. In der anfangs noch ungewohnten Stille bekommen Gedanken hier oft die gewünschte Klarheit. Bei Spaziergängen ist nicht nur Zeit, über sich und das Leben nachzudenken. Man begreift, wie wichtig eine persönliche Auszeit sein kann. Ein kurzer Klosteraufenthalt eröffnet neue Perspektiven. Nachhaltig kann die Erfahrung aber nur sein, wenn man, wieder im Alltag angekommen, in die Ruhe zurückdenken kann. Oder man kehrt von Zeit zu Zeit zurück ins Kloster – um Stille zu tanken.

Manuel Behrens und Melissa Catalina Gehle

Ganzkörperkur

Eine alte Jacke kann man wegschmeißen, eine fremd gewordene Schulfreundin aus dem Adressbuch streichen. Seinen Körper aber kann man nicht so einfach entschlacken. Oft genug siegt der Hunger auf verführerische Tiefkühlpizza über gesundheitliche Vernunft. Immer zu 100 Prozent nur unbelastet-vollwertig-gesund zu essen ist so genussfeindlich wie unmöglich.

Wer den Körper entschlacken möchte, kann es aber mit Heilfasten probieren. Diese Art von Ernährungstherapie gibt es in vielen Varianten: Beim Teefasten zum Beispiel werden nur Wasser und Kräutertees getrunken, bei der Milch-Semmel-Kur sind morgens und mittags harte Brötchen und Milch erlaubt, beim Früchtefasten gibt’s mehrmals täglich Obst oder gedünstetes Gemüse. Zum Speiseplan und dem empfohlenen Drumherumprogramm – Entspannung und Bewegung – gibt’s Infos in Büchern wie „Wie neugeboren durch Fasten“ aus der GU-Ratgeber-Reihe. „Fasten normalisiert den Stoffwechsel, kann Stress abbauen“, sagt Dr. Andreas Buchinger. Wichtig sei es aber, sich vorher von einem fachkundigen Arzt untersuchen zu lassen, um eine zu große Belastung für den Körper auszuschließen. „Auch die Art und die Dauer des Fastens hängt von den individuellen Bedürfnissen und dem Fastenziel ab“, sagt der Internist und Fastenexperte. Fasten ist mehr, als nur nichts zu essen – und vor allem keine Nulldiät zum schnellen Abmagern!

Wer den Körper sanfter und unaufwendiger reinigen möchte, kann es wie die Finnen machen: Schwitzen gehen in der Sauna. Beim Frisör noch die toten Hornfäden auf dem Kopf stutzten lassen – und dann voll Neujahrs-Neuanfangs-Euphorie ein ganz neues Körpergefühl genießen.

Mareike Zoege

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