ADHS-Medikamente helfen gegen Fressattacken




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ADHS-Medikamente helfen gegen Fressattacken

Die Aufmerksamkeitsdefizitstörung ADHS und die dazugehörigen Medikamente stehen öfter in den Schlagzeilen. Nun für einmal positiv.

Binge Eating: Essgestörte nehmen bis zu 3000 Kalorien zu sich pro Essanfall.

Binge Eating: Essgestörte nehmen bis zu 3000 Kalorien zu sich pro Essanfall.
Bild: Gene J. Puskar/Keystone

Gestörtes Essverhalten

Binge-Eating: Etwa 2 Prozent der Bevölkerung hat regelmässige, unkontrollierbare Essanfälle. Je nach Schätzung sind 30 bis 50 Prozent der Betroffenen männlich.

Bulimie: Unter der Ess-Brechsucht leiden in Europa und Nordamerika etwa 2 bis 4 Prozent der 15- bis 35-jährigen Frauen und 0,5 Prozent der gleichaltrigen Männer.

Anorexie: In der westlichen Welt hungern etwa 1 Prozent der 15- bis 35-jährigen Frauen krankhaft und circa 0,1 Prozent der gleichaltrigen Männer. Wie bei der Bulimie können zwar 50 bis 60 Prozent der Betroffenen geheilt werden. Wird das Leiden chronisch, können Magersüchtige daran sterben.

Hilfe bei Essstörungen
Zentrum für Psychotherapie, Universität Freiburg, Tel 026 / 300 7360

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsspital Zürich, Tel 044 / 255 5280

Kompetenzzentrum für Ess­störungen und Adipositas, Spital Zofin­gen, Tel 062 / 746 5656

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Ein Medikament, das als Mittel zur Therapie des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms (ADHS) zugelassen ist, hilft auch Menschen mit einer Essstörung. Das hat ein US-Ärzteteam in einer Studie mit über 250 Betroffenen herausgefunden. Die Wissenschaftler veröffentlichten die Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift «Jama Psychiatry». Das Medikament wurde jedoch bisher nicht mit anderen etablierten Behandlungen verglichen, etwa einer kognitiven Verhaltenstherapie.

Die Studienteilnehmer litten unter der verbreitetsten Form von Essstörungen, dem sogenannten Binge-Eating. Betroffene haben mindestens an zwei Tagen pro Woche masslose, unkontrollierbare Essattacken. Für die ausgewählten Testpersonen traf das sogar an mehr als vier Tagen zu.

Pro Anfall nehmen die Esssüchtigen bis zu 3000 Kilokalorien auf. Anders als bei Essstörungen wie Bulimie (Ess-Brechsucht) oder Anorexie (Magersucht) kompensieren die Betroffenen die immense Nahrungsaufnahme nicht durch Erbrechen, Abführmittel oder extreme Sportprogramme. Menschen mit einer Binge-Eating-Störung sind in der Regel übergewichtig oder fettleibig.

Vier Wochen lang ohne krankhafte Essanfälle

Die US-Mediziner teilten die Studienteilnehmer in vier Gruppen zu je etwa 60 Personen ein; eine Gruppe bekam ein Scheinmedikament. Die drei anderen Gruppen erhielten über acht Wochen den Wirkstoff Lisdexamfetamin in verschiedenen Dosen (30, 50, 70 Milligramm). Die Substanz ist in der Schweiz seit letztem Jahr auf dem Markt zur Behandlung von ADHS bei Kindern.

Vor allem die Probanden in den beiden Gruppen mit der höchsten Wirkstoffkonzentration profitierten deutlich. Die Anzahl der Tage, an denen sie unkontrollierbare Essanfälle hatten, sank durchschnittlich um rund vier Tage pro Woche; bei der Gruppe mit dem Scheinmedikament um drei Tage. Die Hälfte der Teilnehmer in der Gruppe mit der 70-mg-Dosierung schafften es, vier Wochen lang ohne krankhafte Essanfälle auszukommen, in der Placebogruppe gelang dies nur rund 20 Prozent.

Martina de Zwaan verfolgt Studien mit möglichen neuen Medikamenten für Menschen mit Essstörungen sorgsam. Die Psychosomatikerin von der Medizinischen Hochschule in Hannover findet die Studienergebnisse interessant: «Das Medikament wirkt.» De Zwaan warnt allerdings vor zu grossen Hoffnungen. Beim Wirkstoff Lisdexamfetamin handelt es sich um eine Substanz, die süchtig machen und als Nebenwirkung Bluthochdruck hervorrufen kann.

Bereits heute setzen Mediziner Arzneimittel ein, um Menschen mit Essstörungen zu behandeln, zum Beispiel Antidepressiva. «Die Frage ist aber, was passiert, wenn die Betroffenen die Medikamente absetzen», sagt de Zwaan. Eine nachhaltige Therapie sei das in der Regel nicht. Am besten bewährt hat sich dabei die kognitive Verhaltenstherapie.

Diese Behandlungsform ist wissenschaftlich gut untersucht und wirkt lang, wie Simone Munsch von der Universität Freiburg kürzlich bestätigte. Die Psychologin und Psychotherapeutin hat ehe­malige Teilnehmer befragt, die sechs Jahre zuvor eine kognitive Verhaltenstherapie in Basel abgeschlossen haben. Auch nach diesem langen Zeitraum hatten die meisten der Therapierten ihre Esssucht im Griff. Das sei ein «Wahnsinnserfolg», freut sich Munsch. Lediglich knapp 8 Prozent hatten noch Essanfälle.

Essen aus Langeweile oder wegen Beziehungsproblemen

Bei der kognitiven Verhaltens­therapie lernen die Betroffenen zunächst, die Alltagssituationen zu erkennen, wann sie übermässig ­essen. «Essen kann bei den Betroffenen dazu dienen, Langeweile und Gefühle der Leere zu bewältigen oder emotionale Spannungen abzubauen: Probleme am ­Arbeitsplatz, in einer Beziehung, bei Jugendlichen mit den Eltern», sagt Munsch.

Ein erster Schritt sei, die Essanfälle abzukürzen und regelmässige, ausgewogene Mahlzeiten einzunehmen. Wichtig sei auch zu lernen, mit den Schuldgefühlen umzugehen, wenn die Nahrungs­aufnahme wieder ausser Kontrolle geraten ist, sagt Munsch. Derartige Strategien können Betroffene in Gruppentherapien lernen. «Wir haben bereits nach acht Sitzungen Erfolge», sagt Munsch. Das Problem sei jedoch, dass es zu wenig Therapieplätze gibt, wo ausgebildete Psychotherapeuten die Behandlung anbieten, weil die Grundversicherung die Kosten nicht übernimmt.

Insofern könnten Medikamente auch eine Möglichkeit sein, um die Wartezeit für eine Verhaltenstherapie zu überbrücken, findet de Zwaan. Auch die deutsche Forscherin hat gute Erfahrungen mit der kognitiven Verhaltenstherapie bei Menschen mit Binge-Eating-Störungen gemacht. De Zwaan betont aber: «Das Ziel ist dabei nicht, dass die Betroffenen schlank werden, sondern sie sollen lernen, ihren Körper zu akzeptieren.» Es sei meist schwierig für schwer Übergewichtige oder Fettleibige stark abzunehmen. «Aber bereits ein paar Kilos weniger oder zu verhindern, dass weitere hinzukommen, ist ein Erfolg.»

Erschienen am 1.3.2015 (SonntagsZeitung)

Erstellt: 03.03.2015, 18:27 Uhr


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