Aberglaube ist zwar Unsinn, er hilft aber sehr

Gerade erst sind wir dem Weltuntergang am Ende des Jahres 2012 entkommen, da eilt mit schnellen Schritten schon das neue Jahr auf uns zu. Und dieses hat für manche eine nicht weniger unheilvolle Anmutung, denn es handelt sich um das Jahr 2013.

Für abergläubische Menschen besonders des westlichen Kulturkreises steht die Zahl 13 für das Unglück schlechthin, aber auch bei weniger abergläubischen löst sie oft ein irgendwie unwohles, beklemmendes Gefühl aus.

Der fehlende dreizehnte Stock in Gebäuden; Hotels oder Krankenhäuser, die bei den Zimmernummern die Zahl einfach überspringen, ebenso wie Flugzeuge ohne eben diese Sitzreihe oder Sitznummer. All das zeigt: Der Aberglaube um die 13 ist kulturell fest verankert.

Die Zahl löst ebenso unwillkürliche negative Assoziationen aus wie schwarze Katzen, die seit dem Ende des Mittelalters als Verkörperung des Bösen und in Verbindung mit Hexen stehend gelten.

Jede Kultur hat ihre eigene Unglückszahl

Andere Kulturen haben mit der 13 keine größeren Probleme, meiden aber andere Zahlen. Bei Italienern und Brasilianern gilt die 17 als Unglück bringend, und Chinesen halten sich von der Vier fern, wenn sie können. Denn sie klingt, ein bisschen falsch betont, genauso wie das Wort für Tod.

Fast noch schlimmer: Betont man die 14 falsch, bedeutet sie "sterben wollen" oder "bald sterben". Ein abergläubisch korrekt gebautes Haus, in dem verschiedene Kulturen miteinander leben sollten, hätte also nicht mehr viele Stockwerke übrig.

Doch warum ist das so? Fragt man Psychologen, so ist der Aberglaube in der Tat ein universelles Phänomen. Er entsteht sozusagen als Abfallprodukt beim Bemühen, die Welt berechenbar zu machen.

"Die Folgen unseres Handelns mögen erfreulich sein, traurig, oder keines von beiden. Vorhersehbar sind sie jedoch nur selten", schreibt der amerikanische Psychologe Stuart Vyse vom Connecticut College in seinem Buch "Die Psychologie des Aberglaubens".

"Die Unberechenbarkeit ist ein unausweichlicher Bestandteil jeder menschlichen Erfahrung, und jeder löst das Problem auf seine Weise."

Unsicherheit ist bedrohlich

Kontrollverlust und Unsicherheit sind in kleinen Dosen serviert manchmal noch reizvoll, in größeren Dosen aber signalisieren sie Bedrohung. Deshalb haben sich im Lauf der Evolution Mechanismen entwickelt, die darauf zielen, die Welt so verständlich und vorhersehbar wie nur möglich erscheinen zu lassen.

So durchleuchtet das Gehirn die Umwelt ständig nach Mustern und kausalen Zusammenhängen, und zwar umso stärker, je unsicherer oder persönlich bedeutsamer eine Situation gerade ist. Das ist für sich genommen eine sehr sinnvolle Erfindung der Evolution.

Denn es ermöglicht, auch kleinste potenzielle Zusammenhänge aus dem dichten Wirrwarr der Umgebungsreize herauszufiltern. Manchmal allerdings führt das nach Sinn suchende Gehirn dabei auf falsche Fährten. In zufällig zusammen auftretenden Ereignissen Ursache und Wirkung zu sehen, ist der erste Schritt zum Aberglauben.

Wie Forscher betonen, ist das oft keine rationale Entscheidung – es handelt sich schlicht um eine Wahrnehmungstäuschung. Experimente zur Entstehung von Aberglauben zeigen, dass das sogenannte magische Denken bei allen Menschen ansatzweise vorhanden ist und sich leicht provozieren lässt.

Magisches Denken lässt sich provozieren

In einer im Fachblatt "Science" erschienenen US-Studie verunsicherten die Forscher zum Beispiel eine Gruppe ihrer Versuchsteilnehmer, indem der Computer völlig unberechenbares Feedback gab, oder indem sie die Probanden an eine Situation erinnerten, in der sich diese hilflos gefühlt hatten.

Anschließend zeigten die Wissenschaftler den Teilnehmern Bilder aus schwarzen und weißen Punkten. Auf manchen von ihnen ergaben die Punkte ein Bild, etwa ein Tier, und andere wiederum waren völlig zufällig zusammengestellt.

Die Gruppe der Probanden, welche vorher verunsichert worden war, gab an, weitaus mehr Bilder in den Punkten zu sehen als jene, denen nicht das Kontrollgefühl entzogen worden war.

Außerdem glaubten sie eher Muster in zufällig ausgewählten Börsendaten zu erkennen und entwickelten eher Überzeugungen, dass ihr Handeln im Experiment doch einen Einfluss auf das Ergebnis gehabt habe.

Auch Tiere können sich abergläubisch verhalten

Diese Kontrollillusion hängt vor allem mit einem ganz fundamentalen Mechanismus der Informationsverarbeitung zusammen: Gleichzeitig auftretende Ereignisse werden als kausal zusammenhängend im Gehirn gespeichert. Das ist nicht nur ein allzu menschliches Phänomen.

Der amerikanische Lernforscher Burrhus Skinner konnte schon 1948 zeigen, dass auch Tiere abergläubisches Verhalten entwickeln. Der Wissenschaftler setzte hungrige Tauben in eine Kiste und ließ alle 15 Sekunden automatisch Futterkörnchen dort hineinfallen.

Schon nach kurzer Zeit hatte jede Taube ein bestimmtes Verhalten verinnerlicht, das anfangs zufällig mit der Gabe des Futterkörnchens zusammengefallen war. Manche hackten daraufhin ständig in eine Ecke der Kiste, andere drehten sich immer wieder im Kreis, um an mehr Futter zu kommen – aus einem puren Zufall war ein Ritual geworden.

Durch das gleiche Lernprinzip entsteht beim Menschen Aberglauben. Und weil man dazu tendiert, einmal gefasste Ansichten zu verteidigen, hält sich der Aberglaube vom verflixten Freitag dem 13. auch dann, wenn er einmal glimpflich an einem vorübergegangen ist.

Ist man abergläubischen Gewohnheiten in der eigenen Kultur von klein auf ausgesetzt, kann es schwer sein, sich ihnen dauerhaft entgegenzustellen. "Einige der Eigenschaften, durch die wir zu der die Erde beherrschenden Spezies wurden, sind zugleich auch die Wurzel unseres Aberglaubens", schreibt Vyse.

Kontrollüberzeugung macht erfolgreicher

Zwar ist so ein Aberglauben also rational gesehen ziemlicher Unfug, allerdings kann er trotzdem helfen, wie eine Studie von Kölner Psychologen zeigt. Die Wissenschaftler um Lysann Damisch veröffentlichten 2010 eine Studie, in der sie ihre Versuchspersonen baten, Golf zu spielen.

Einer Gruppe übergaben die Forscher den Golfball mit dem Hinweis, dass dies bislang der Glücksball gewesen sei, mit dem häufiger getroffen wurde. Der anderen Gruppe wurde lediglich gesagt, dass alle Versuchspersonen diesen Ball benutzen würden.

Die Spieler mit dem vermeintlichen Glücksball waren nicht nur zuversichtlicher und konzentrierter, sie trafen tatsächlich auch häufiger. In einem zweiten Experiment durften alle Teilnehmer ein Maskottchen mitbringen, eine Gruppe aber musste dieses vor dem Versuch beiseitelegen.

Jene, die das Maskottchen behalten durften, schnitten wieder erfolgreicher ab. Außerdem waren sie überzeugter, dass der Erfolg von ihnen selbst abhing. Die Wissenschaftler fanden auch heraus, warum diese Probanden letztlich erfolgreicher waren: Sie gaben nicht so schnell auf wie andere.

Auch wenn eine Kontrollüberzeugung also eine Illusion ist – sie kann manchmal durchaus zum Erfolg beitragen.

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