Der Test weckt Zweifel am Wissenschaftsbetrieb: Forscher haben 100 Studien aus der Psychologie wiederholt - die Ergebnisse waren aber oftmals nicht dieselben.
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Zuletzt war es Marcia McNutt, Chefredakteurin des Fachmagazins "Science", die auf die Standards der Forschung pochte: Genauigkeit, Transparenz und absolut korrektes Arbeiten seien unverzichtbare Eckpfeiler wissenschaftlichen Arbeitens. Nur dann könne ein im Labor erzieltes Ergebnis auch von anderen Forschern nachvollzogen, also reproduziert werden. Und genau dies sei die Voraussetzung für unabhängige Prüfungen, erklärte McNutt. Es sei wie ein Licht, das dann leuchte und die Wissenschaft voranbringe.
Dass dieses Licht derzeit nicht oder nur schwach leuchtet, bemängeln immer mehr Forscher. Für Aufsehen sorgte im vergangenen Jahr die Kampagne "Increasing Value, Reducing Waste" im Fachmagazin "The Lancet", in der führende Wissenschaftler forderten, dass sich die Qualität in der Forschung dringend wieder verbessern muss.
Damit ist es allerdings nicht weit her, wie jetzt ein Team um den Psychologen Brian Nosek von der University of Virginia in Charlottesville berichtet. Um die Reproduzierbarkeit psychologischer Studien zu prüfen, haben die Forscher 100 Studien nachgestellt, deren Ergebnisse zuvor in drei hochkarätigen psychologischen Fachzeitschriften erschienen waren. An dem Großprojekt waren mehr als 270 Forscher auf fünf Kontinenten beteiligt.
"Sorgen um Wissenschaft sind berechtigt"
Ihr Fazit: Die meisten Ergebnisse aus den psychologischen Studien ließen sich nicht replizieren. Die Mehrzahl der Wiederholungen bestätigten die Resultate der Originalstudien nicht. Der Befund wecke grundlegende Zweifel am Wissenschaftsbetrieb - weit über die Psychologie hinaus, schreibt Brian Nosek im Fachmagazin "Science".
"Seit Jahren gab es Zweifel an der Reproduzierbarkeit wissenschaftlicher Befunde, aber kaum direkte systematische Belege", wird Projektkoordinator Nosek in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. "Dieses Projekt, das erste seiner Art, belegt substanziell, dass die Sorgen berechtigt sind."
Dies betont auch Susann Fiedler vom Bonner Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, die maßgeblich an dem Projekt beteiligt war. Oft habe es auf Fachkonferenzen Zweifel an Studien gegeben - teils weil die Resultate der Vernunft widersprachen, teils weil andere Forscher sich vergeblich damit abmühten, Ergebnisse zu bestätigen.
Ergebnisse ließen sich nicht bestätigen
In dem mehrjährigen Großprojekt prüften die Psychologen seit 2011 systematisch, wie zuverlässig publizierte Resultate tatsächlich sind. Dazu wählten sie 100 Studien aus, die im Jahr 2008 in drei renommierten psychologischen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden.
Diese 100 Versuche stellten dann diverse Forscherteams unter möglichst identischen Bedingungen nach. Resultat: In nicht einmal der Hälfte der Fälle konnten sie das frühere Resultat bestätigen. Während 97 Prozent der Originalstudien klare Ergebnisse hatten, waren es bei den Wiederholungen lediglich 36 Prozent.
Dies müsse nicht unbedingt heißen, dass frühere Ergebnis falsch sind, betonen die Wissenschaftler in "Science". Einzelne Wiederholungsstudien könnten auch durch Zufälle oder sonstige Einflüsse andere Ergebnisse haben. Insgesamt ließen sich vor allem überraschende Befunde nicht replizieren, sagt Max-Planck-Forscherin Fiedler. Die Gründe für die abweichenden Ergebnisse seien vielschichtig.
Signifikant publiziert sich besser
Um in der Wissenschaft Erfolg zu haben, brauchen Forscher Veröffentlichungen in Fachmagazinen, meint Fiedler. Manche Ergebnisse ließen sich leichter publizieren als andere. Eben jene, die neuartig sind und in überraschende oder neue Richtungen weisen. "Wer publizieren will, braucht signifikante Ergebnisse. Was nicht signifikant ist, lässt sich oft schwer publizieren."
Das bedeute nicht, das Forscher bewusst Statistiken schönen, um erwünschte Ergebnisse vorzuweisen. Solche Fälle gebe es zwar auch, sagt Fiedler, meist seien die Prozesse aber subtiler. So könnten Forscher, die nach jahrelanger Arbeit kein klares Resultat hätten, im Nachhinein die Fragestellung verändern - unter Umständen so lange, bis das Ergebnis passt. Mitunter könne man auch nachträglich weitere Varianten wie Geschlecht oder Alter einführen.
Betroffen seien nicht nur Disziplinen wie die Psychologie, gleichermaßen trifft es auf die Naturwissenschaften zu, schreiben die Forscher in "Science". Die Probleme waren vielen schon vorher bewusst, meint Fiedler. "Aber mit dieser Veröffentlichung kann auch der Letzte nicht mehr wegschauen. Diese Fakten kann man nicht länger ignorieren."