Xin Peng Wang zeigt seinen zweiten „Schwanensee“

Xin Peng Wang zeigt seinen zweiten „Schwanensee“

DORTMUND ▪ Dortmunds Ballettchef Xin Peng Wang mag den großen Wurf. Erst im Herbst hat er mit „Fantasia“ ein abendfüllendes Ballett zu Musik von Mussorgsky herausgebracht. Jetzt zeigt er nach 2005 seinen zweiten „Schwanensee“. Er bricht den Mythos behutsam auf, bleibt im märchenhaft Uneindeutigen. Von Edda Breski

© Stöß

Klassisch inspiriert, fantasievoll ins Bild gesetzt: Szene aus dem Dortmunder „Schwanensee“ mit Monica Fotescu-Uta ▪

Wang und sein Dramaturg Christian Beier lenken den Fokus auf den Prinzen Siegfried, der nach Odette greift und sich an die eigene Brust fasst. Sein Gegenüber, ob Mensch oder Schwan, bleibt ungreifbar. Der Prinz (Mark Radjapov) ist blass und formbar wie eine Wachspuppe. Sein Vater, der König (Andrei Morariu), hält alle Fäden in der Hand, steuert auch den Schwan anstelle des Zauberers Rotbart. Damit befindet sich Wang in der Nähe der psychologischen Deutung John Neumeiers, der für seine „Illusionen – wie Schwanensee“ den „Mann im Schatten“ erschuf. Wangs Psychologie aber entzieht sich dem Licht der Analyse und bleibt im Traumhaften.

Der erste Akt spielt in einem Eispalast (verantwortlich für die Bühne und die sehenswerten Kostüme: Daniel Ioan Roman). Das Ensemble darf sich präsentieren; Emilie Nguyen etwa tritt im Pas de Quatre mit viel Aplomp auf. Das Corps ist geometrisch aufgefächert, das erinnert an die traditionellen weißen Akte. Arsen Azatyan zeigt als Benno Sprungkraft und Lebensfreude. Er fasst nach Röcken, küsst Hände, zaubert ein wenig, als im dritten Akt das Licht ausgeht und Risa Tateishi wie eine blaue Flamme auftaucht im Russischen Tanz – ein bezauberndes Entree, das schönste des Abends.

Siegfried hat im ersten Akt eine Gefährtin, ein Wunschbild: Jelena Ana Stupar tanzt sie mit androgynem Charme.

Den zweiten Akt hat Xin Peng Wang belassen, wie Lew Iwanow ihn geschaffen hat: eine Reminiszenz. Vereinfacht und vorsichtig modernisiert ist nur der Part der Odette. Generalmusikdirektor Jac van Steen verlangsamt die Musik hier extrem. Er und die Dortmunder Philharmoniker bringen die Textur der Musik zur Geltung, ohne die Struktur zu vernachlässigen.

Brüche treten im dritten Akt zutage. Die Nationalcharaktere streicht Wang, dafür gibt er seinen Solistinnen Raum, die sich als starke, verführerische Frauen zeigen. Der Pas de deux des Schwarzen Schwans ist im Grunde eine Handlungsszene, denn Odile (Monica Fotescu-Uta in der berühmten Doppelrolle) wendet sich dem Vater zu, der schließlich den Verlobungsring auf ihren Finger schiebt. Damit ist der Bann gebrochen, die Festgesellschaft verschwindet, Benno wendet sich ab. Auch er war Projektion.

Den vierten Akt hat Wang komplett umgedeutet. Er stellt ein lyrisches Duett Siegfrieds und Odettes voran, dann sucht der Prinz unter den wie Sylphiden gruppierten weißen Schwänen nach der Verschwundenen. Gegen die Schwäne ist zwar die Vaterfigur, die achtfach bedrohlich auftaucht, machtlos, aber sie weichen zurück hinter einen Spiegel. Siegfried bleibt vor seinem eigenen Bild zurück.

Wang hat eine gründliche, aber sanfte Umdeutung vorgenommen. Die Effekte sind zum Teil grandios, die Lichtregie (Carlo Cerri) schafft atemberaubende Momente, wie den Vorhang aus bläulichem Licht, der Odette und Siegfried bei ihrem letzten Tanz umgibt.

Allerdings sind Monica Fotescu-Uta und Mark Radjapov noch blasser als ihre vagen Figuren. Während Radjapov unauffällig bleibt, wirkt Fotescu-Uta vor allem kraftlos. Sie zeigt wunderschöne Arme, ergreifende Posen, ihre Technik aber ist schwach, wohl nicht umsonst ist ihr Part von Schwierigkeiten weitgehend befreit. Es ergibt sich ein Ballett ohne Hauptfiguren, was zwar irgendwie passt, aber doch Leere hinterlässt.

6., 11., 19., 25.5., 2.6.,

Tel. 02 31/50 27 222, http://www.theaterdo.de.

Quelle: wa.de

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