begriffe der Wissenschaft
Unsere Sinnesorgane zeigen uns nur einen kleinen Ausschnitt der Welt: Wir können keine Infrarotstrahlen sehen, wir können nicht spüren, wenn ein Pollenkörnchen auf unsere Haut fällt, wir können weder sehr hohe noch sehr tiefe Töne hören. Aber auch wenn wir diese Faktoren nicht wahrnehmen: Sie sind dennoch da.
So sind sehr tiefe Töne (unter 20 Hertz) – der sogenannte Infraschall – in unserer Welt allgegenwärtig: Sie entstehen durch Meeresbrandung, Gewitter oder Windgeräusche, aber auch durch Klimaanlagen oder Autos. In einem Bereich, bei Windkraftanlagen, ist Infraschall derzeit ein ganz heißes Thema. Laut Kritikern dieser Energietechnologie entstehe durch die sich drehenden Rotorblätter derart intensiver Infraschall, dass Anwohner gesundheitlich geschädigt werden könnten. Klar ist: Der Mensch kann Infraschall auch als Vibrationen über die Haut oder „im Bauch“ wahrnehmen. Bei sehr hohem Schallpegel (170 dB aufwärts) sind gesundheitliche Folgen wie Kopfschmerz, Schwindel oder Sehstörungen belegt – offenbar, weil Organe zum Schwingen angeregt werden.
Beim Österreichischen Windenergiesymposium Awes 2014 diese Woche in Wien wurden nun allerdings Messergebnisse präsentiert, die eine Gefährdung des Menschen durch Windparks sehr unwahrscheinlich erscheinen lassen: Windräder emittieren demnach einen Infraschallpegel von 58 bis 70 dB (gemessen in 200 Meter Entfernung) – also weit unterhalb jeglicher Gefährdungsschwelle. Vergleichsmessungen, die bei anderen Infraschall-Emittenten durchgeführt wurden, sind nicht minder interessant: In einem mit 130 km/h fahrenden Auto liegt der Infraschallpegel bei 111 dB, 200 Meter von einer Autobahn entfernt bei 75 dB, im Waldviertel, also fern jeglicher Zivilisation, natürlicherweise bei 73 dB. Das ist mehr, als Windräder abstrahlen.
Bei der Debatte wurde aber auch ein zweites Faktum deutlich: Menschen haben äußerst unterschiedliche Wahrnehmungsschwellen: Ein Signal, das von einer Person überhaupt nicht wahrgenommen wird, kann für eine andere Person eine große Belästigung sein. Das heißt, dass – so wie in allen Bereichen, in denen es um subjektive Wahrnehmungen geht – auch hier die „objektive“ Wissenschaft an Grenzen stößt und man mit verallgemeinernden Aussagen vorsichtig sein muss. Gefragt ist jedenfalls mehr Forschung über die psychologische Wirkung von Infraschall – ein Gebiet, in dem sie erst ganz am Anfang steht.
Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2014)