„Wir sind alle kleine Psychologen“

Herr Pfaff, seit zehn Jahren beschäftigen Sie sich in der Rolle des Psychotherapeuten Bloch mit seelischen Nöten. Glauben Sie, dass im Prinzip jeder Mensch eine Macke hat?

Nein, das glaube ich nicht. Die meisten sind wohl normal, wobei sich natürlich sofort die Frage stellt, wie man normal definiert. Eine befreundete Psychologin, die in einer Anstalt tätig war, hat mir mal erzählt, dass man dort alles an Macken beobachten kann, was einem auch sonst an den Mitmenschen so auffällt – nur viel stärker ausgeprägt.

Man liest immer wieder, dass die Zahl psychischer Erkrankungen zunimmt. Warum, glauben Sie, ist das so?

Ich denke, das hat damit zu tun, dass wir in einer sehr verwirrenden Welt leben, die vielen Menschen keinen Halt bietet. Früher haben den noch die Kirchen geboten, da gibt es ja auch den wunderbaren Begriff der Seelsorge. Aber die Glaubwürdigkeit von Kirchen ist zurückgegangen, und die Psychologie hat die dadurch entstandene Lücke nicht ersetzen können. Anders als etwa in Amerika kostet es viele Leute auch eine starke Überwindung, sich bei seelischen Problemen Hilfe beim Psychotherapeuten zu holen.

Wo gehen Sie denn hin, wenn Ihnen etwas auf der Seele liegt?

Zu meiner Frau und zu meinen Freunden. Bei manchen Problemen kann einem allerdings niemand helfen – und wenn ich ernsthafte psychische Probleme hätte, würde ich schon fachlichen Rat in Anspruch nehmen. Wobei ich nicht glaube, dass einen eine Therapie von den Dingen, die einen belasten, völlig befreit. Sie bringt einem nur bei, wie man damit umgeht, und das kann ein sehr langer Prozess sein.

Gab es in Ihrem Leben schon Situationen, in denen Sie mit dem Gedanken an eine Therapie gespielt haben?

Klar, an so was denkt man immer mal wieder. Ich habe allerdings tatsächlich noch nie an einer Therapiesitzung teilgenommen, auch nicht in Vorbereitung auf die Rolle als Bloch.

Für viele Schauspieler ist das Spielen von Rollen eine Art Therapie, um zum Beispiel angeborene Schüchternheit zu überwinden. Wie ist das bei Ihnen?

Ich glaube auch, dass ich ein eher schüchterner Mensch bin und diese Scheu vor der Kamera überwinde. Die Schauspielerei hat ja was mit Katharsis, mit Reinigung, zu tun, und ich denke schon, dass das bei mir auch zutrifft. Ich habe in den vergangenen Jahren ja viele Filme und Figuren mitentwickelt, mit denen ich Dinge abgearbeitet habe, die mich beschäftigen. So ist das auch bei Bloch. Ich wollte ja früher mal Psychotherapeut werden, und dann wurde eine Rolle draus – nicht die schlechteste Lösung, wie ich finde.

Hat sich Bloch denn so entwickelt, wie Sie sich das vorgestellt haben?

Eigentlich schon, wobei so eine Figur manchmal auch ganz andere Wege geht, als man ursprünglich glaubt. Du gibst etwas von dir in so eine Figur, doch sie gibt dir auch etwas zurück – und sie entwickelt immer ein Eigenleben.

Mögen Sie die Serien-Figur?

Ja, schon. Man kann nicht jemanden spielen, den man nicht mag. Man muss schon schauen, dass man seine Figur auch liebt, sonst geht es nicht. Uns war bei der Figur wichtig zu zeigen, dass jemand, der als Psychotherapeut arbeitet, auch selber Probleme haben kann – und die hat Bloch ja zur Genüge.

Gibt es eigentlich Zuschauer, die Sie um psychologischen Rat bitten?

Ja, das kommt schon vor, dass ich in Briefen um Rat gefragt werde. Den kann ich natürlich nicht erteilen, weil ich ja kein Psychotherapeut, sondern Schauspieler bin. Ich will in diese bestimmte Rolle auch nicht reingedrängt werden.

Verständlich. Aber ertappen Sie sich nicht manchmal doch dabei, dass Sie Leute aus ihrem Umfeld analysieren?

Ich versuche das nach Möglichkeit zu vermeiden. Wir sind schließlich alle kleine Psychologen – so wie wir auch alle kleine Bundestrainer sind.

Wie lange wollen Sie Bloch spielen?

Keine Ahnung. So lange uns gute Geschichten einfallen, würde ich sagen.

Anders gefragt: Wie lange verträgt das Fernsehen eine so sperrige Figur?

Ich hoffe noch lange, denn wenn es keine sperrigen Figuren mehr im Fernsehen gibt, dann sieht's duster aus. Man braucht doch Filme mit Ecken und Kanten, die einen herausfordern – sonst ist das doch total langweilig.

Im neuen Bloch-Film spielte Vadim Glowna wenige Monate vor seinem überraschenden Tod die Episoden-Hauptrolle. Hat es Sie getroffen, als Sie von seinem Tod erfahren haben?

Natürlich, es ging alles so unglaublich schnell. Die Zusammenarbeit mit ihm war herrlich unkompliziert. Wir kannten uns zwar schon lange, hatten aber noch nie miteinander gespielt. Vadim Glowna war ein wunderbarer Kollege.


Doppelte Überraschung

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