Wir laufen weg, wenn uns im Wald ein Bär in die Quere kommt. Weil wir mitbekommen, dass wir weglaufen, packt uns die Angst. So stellte sich der große amerikanische Psychologe William James Ende des 19. Jahrhunderts die Entstehung von Emotionen vor: Sie seien eine Wahrnehmung unserer Körperreaktionen.
James hatte etwas richtig beobachtet: Die großen Emotionen Angst, Wut, Trauer oder Freude gibt es nicht, ohne dass etwas in unserem Körper geschieht. Der Schweiß tritt uns auf die Stirn - wir haben Angst. Die Fäuste ballen sich und die Schultern spannen sich nach vorne - Wut schießt ein. Die Beine werden weich, wir sacken ein und weinen - Trauer packt uns.
Psychologen befragten Menschen in Finnland und Taiwan, wo sie in ihrem Körper Emotionen spüren (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2014, 111, 646-651). Heraus kamen bunte Karten, auf denen man sehen kann, wo Menschen sich durch eine Emotion im Körper aktiviert fühlen und wo ihnen die Kräfte schwinden. Ärger oder Freude werden mehr in den Armen gespürt, bei Trauer lässt das Gefühl der Aktivierung in den Armen nach. Bei Ekel kommt es vor allem zu Empfindungen im Hals und im Verdauungssystem. Liebe lässt Kopf, Brust und Bauch erstrahlen. Freude ist die einzige Emotion, die Empfindungen in allen Körperpartien anregt.
Emotionen mit körperlichen Reaktionen verbunden
Wir erleben unsere Gefühle immer auch in unserem Körper. Sie sind mit körperlichen Reaktionen verbunden, wie dem Blutfluss, dem psychogalvanischen Hautwiderstand oder dem Aufrichten der Körperhaare.
Ganz aber hatte William James nicht Recht. Denn Menschen reagieren mit verschiedenen Systemen der Wahrnehmung gleichzeitig auf eine Situation, mit dem Körper nur schneller. Der Neurowissenschaftler Joseph LeDoux (Das Netz der Gefühle. Wie Emotionen entstehen. dtv, 2001) konnte nachweisen, dass bei Angst die körperliche Reaktion deswegen schneller erfolgt, weil das Gehirn den Angstreiz auf zwei Wegen verarbeitet: einem schnelleren, der vom Großhirn unabhängig ist, und einem langsameren über das Großhirn. Aufgrund des schnelleren Weges zucke ich zuerst zusammen, und dann erst sehe ich auf dem langsameren Weg der Wahrnehmung, dass eine Schlange vor mir liegt. Aber der Angst werde ich mir bewusst, weil ich die Reaktionen des Körpers mitbekomme.
Emotionen teilen uns mit, was Situationen für uns bedeuten. Sich körperlich gut spüren zu können, hilft daher sehr, um sich in der Welt zurechtzufinden.