Irrtümer und Wahrheiten
Um die richtige Haarpflege ranken sich viele Mythen: 100 Bürstenstriche sorgen für glänzendes Haar, häufiges Tragen von Mützen verursacht Haarausfall, und durch Schneiden sollen Haare sogar schneller wachsen. Was ist dran an diesen Gerüchten?
Das Bürsten der Haare kann tatsächlich zu einem gewissen Glanz verhelfen. 100 Striche täglich sind aber nicht notwendig. Das Bürsten an sich macht die Haare nicht glänzender, sondern schafft nur Ordnung auf dem Kopf. Nur so kann der Glanz der Haare zur Geltung kommen.
Dass das häufige Tragen einer Mütze Haarausfall verursacht, ist hingegen totaler Quatsch. Lediglich die Haarwurzel ist auf Nährstoffe angewiesen, und die liefert der Körper von allein.
Ebenfalls falsch ist der Glaube, geschnittene Haare wüchsen schneller. Das kann leider kein Friseur beeinflussen, Haarwachstum ist genetisch bedingt.
Haare machen Eindruck auf andere Menschen. "Wir wollen nach außen wirken und bestimmte Informationen vermitteln." Wie Frauen würden auch Männer unter dem Verlust der Haare leiden. "Es kann zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls kommen, zu einer sozialen Isolierung." Auch Heilpraktiker Andreas Kanne aus Delbrück sagt: "Vor allem Männer im Alter von 18 bis 20 Jahren sind total unglücklich über Haarausfall." Es könne sich eine psychische Störung entwickeln, bis ins Depressive hinein. Vor allem, wenn Betroffene hören, dass Männerfrisuren in diesem Jahr wieder länger werden. "Der Trend ist, das Deckhaar länger zu tragen, die Seiten werden etwas unterschnitten", sagt Olaf Kraußlach, Obermeister der Friseurinnung Herford.
Schuld an der Glatze ist eine erbliche Überempfindlichkeit
Bei 80 Prozent aller Männer wird das Kopfhaar im Laufe ihres Lebens zunehmend lichter. Die Dichte der Haarfollikel – sie umschließen die Haarwurzel in der Kopfhaut und verankern sie dort – nimmt ab. Schuld daran ist eine erbliche Überempfindlichkeit gegen das männliche Geschlechtshormon Dihydrotestosteron. Das beeinflusst den Stoffwechsel in den Haarfollikeln. In den betroffenen Regionen läuft der Lebenszyklus eines Haares schneller ab, das Haar wird dünner, bis das Follikel gar kein Haar mehr produziert und sich eine Glatze bildet. Diese "androgenetische Alopezie" ist laut dem Bielefelder Hautarzt Lars Kretzschmar die häufigste Ursache für Haarausfall.
Der diffuse Haarausfall dagegen verteilt sich gleichmäßig über den Kopf. Ursachen hierfür seien Eisen-, Zink- oder Vitamin-B-12-Mangel, Schilddrüsenerkrankungen und Nebenwirkungen von Medikamenten wie dem Blutverdünnungsmittel Marcumar, so Kretzschmar.Kreisrunder Haarausfall sei die Folge von Haarwurzelentzündungen. Zudem gebe es bestimmte Kopfhauterkrankungen wie Ekzeme oder Pilze. Und dann ist da noch der jahreszeitlich bedingte Haarausfall, ähnlich wie der Fellwechsel bei Tieren. "Der tritt im Frühjahr und Herbst verstärkt auf und reguliert sich wieder von selbst." Heilpraktiker Andreas Kanne bietet sogar Haarsprechstunden an. "Haarausfall ist ein komplexes Gebiet, es gibt keine Regel." Er habe Patienten gehabt, bei denen auch eine Stresstherapie gewirkt habe. "Das zeigt, dass sich das gesamte Wohlbefinden auf die Haare auswirken kann."
Minoxidil wirkt auf den Blutdruck und fördert den Haarwuchs
Ursprünglich wurde der Wirkstoff Minoxidil als Bluthochdruckmittel eingesetzt. Jetzt schätzen Hautärzte das Mittel wegen seiner Nebenwirkung: Es fördert den Haarwuchs. "Das Regaine-Haarwasser muss regelmäßig auf die Kopfhaut aufgetragen werden", sagt Kretzschmar. Es verbessert die Blutgefäßversorgung. Die Therapie muss so lange fortgesetzt werden, wie das Haar sprießen soll. "Setzt man das rezeptfreie Präparat ab, droht erneut Haarverlust."
Bei genetisch bedingtem Haarausfall hilft das rezeptpflichtige Finasterid in Tablettenform. Es verhindert die Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron. Beiden Mitteln attestieren die Leitlinien der Dermatologischen Gesellschaft gute Wirksamkeit. Die Medikamente können den Verlauf aber nur stoppen, nicht rückgängig machen. Auch Kieselsäure in Pillen, Koffein in Shampoos und Kräuteraufgüsse sollen das Haar sprießen lassen. Laut Dermatologischer Gesellschaft ist ihre Wirksamkeit jedoch nicht bewiesen. "Koffeinshampoos wirken nur unterstützend", sagt Kretzschmar.
Haartransplantationen helfen nur begrenzt
"Eine Transplantation ist eine Umverteilung gesunder Haarwurzeln aus dem Haarkranz am Hinterkopf auf andere Kopfstellen", erklärt Frank Neidel. Der Düsseldorfer Chirurg ist Präsident des Verbands Deutscher Haarchirurgen. Seit BVB-Trainer Jürgen Klopp und Fußballstar Wayne Rooney die Transplantationen zugegeben haben, hat er deutlich mehr Männer unter seinen Patienten.
"Eigenhaar ist aber limitiert", sagt er. Was nach vorne wandert, fehlt hinten. Fremdes Haar würde der Körper abstoßen. "Der Einsatz von Plastikhaar ist in Deutschland verboten, weil es zu schwersten Vereiterungen kommen kann", so Neidel. Der Arzt entnimmt die Follikel am dicht bewachsenen Hinterkopf samt Haut. Dort sind die Haarwurzeln robust, es werden lebenslang gesunde Haare gebildet. Gegen die Schmerzen wird örtlich betäubt, die entstandene Hautwunde wird vernäht. Der Arzt zerlegt die Hautstreifen in sogenannte Grafts, die bis zu fünf Haare enthalten. Dort, wo die Haare wachsen sollen, setzt der Arzt die Follikel ein. Je nach Größe der zu bepflanzenden Stelle dauert das drei bis sechs Stunden. Nach etwa drei Monaten wachsen die neuen Haare.
Es gibt keine Erfolgsgarantie. "Narben können entstehen, es können sich Verkrustungen bilden, die Wunden können sich infizieren", sagt Neidel. Die Kosten: bei einer kleinen Fläche wie Haaransatz und kleinen Geheimratsecken 1.500 bis 3.500 Euro, bei mittleren Flächen 3.500 bis 6.000 Euro, bei großen Flächen mehr als 8.000 Euro. Krankenkassen zahlen den Eingriff nicht.