Weihnachten alleine: Was Einsamkeit mit Singles macht

In jedem dritten Haushalt in Deutschland lebt ein Single. Neben einem Großteil alter Menschen, die ihren Partner bereits verloren haben, steigt bereits seit Jahren die Zahl junger Alleinlebender. Beinahe 18 Prozent sind jünger als 30 Jahre, so ermittelte das Statistische Bundesamt. Forscher prognostizieren einen immer weiter steigenden Anteil. In Zeiten, in denen andere enger aneinander rücken, erleben sie eine zehrende Einsamkeit. Die findet ihren Niederschlag: Mehr als jeder dritte Single fühlt sich in der Weihnachtszeit melancholisch, ermittelte eine Umfrage der Partnervermittlung ElitePartner. Wenn der Festtagsblues sie packt, verkriechen sich die Betroffenen auf dem Sofa. Zurückgezogen und allein hoffen sie unangenehmen Situationen zu entgehen, denen sie in Gesellschaft oft ausgesetzt sind. Zu den größten Stimmungskillern zählen neben bohrenden Fragen nach dem eigenen Beziehungsstatus Feiern im Kreise vergnügter Pärchen. 


Hintergrund: Tipps gegen die Einsamkeit

Einsam unter Menschen

Für manche ist die ständige Konfrontation mit dem Glück anderer derart bitter, dass sie sich sozial vollkommen zurückziehen. "Es kann passieren, dass Menschen in Einsamkeit selbst zu sich die innere Verbindung verlieren. Es ist ein furchtbar quälendes Gefühl, sich allein mit seinen Sorgen zu fühlen", sagt die Pulheimer Ärztin und Psychoanalytikerin Dunja Voos. Einsam zu sein ist jedoch weit mehr als ein trauriges Gefühl. Auch ohne soziale Isolation kann man Vereinsamung empfinden. Wie verbreitet diese Empfindung ist, untersuchte der amerikanische Hirnforscher Dr. John T. Cacioppo im Jahr 2010. Vier von fünf unter 18-Jährigen fühlen sich manchmal allein. Unter den über 65-Jährigen ist der Anteil mit 40 Prozent deutlich geringer. Rund 15 bis 30 Prozent der Bevölkerung seien chronisch einsam, hält der Forscher fest.

Forschung ermittelt psychische und körperliche Risiken

Längst haben neben ihm zahlreiche Mediziner und Psychologen genau unter die Lupe genommen, was das mit dem sozialen Wesen "Mensch" macht. In vielen Studien ist belegt: Einsamkeit macht krank. Depressionen, Angsterkrankungen, Essstörungen wie Bulimie oder Anorexie und andere psychische Krankheiten können die Folge sein. Wie erdrückend dieses Gefühl sein kann, zeigt sich auch in der höheren Verletzlichkeit sozial isolierter Menschen.

Sie schlafen schlechter und klagen eher über psychosomatische Beschwerden wie Verspannungen im Rücken-, Nacken oder Kieferbereich. Auf der Liste der möglichen Auswirkungen tauchen zudem diffuse Schmerzempfindungen oder Bauschmerzen auf. Das scheint noch vergleichsweise harmlos gegen das, was eine neue Studie zu Tage brachte: Allein zu sein kann tödlich sein.

Die wichtigsten Antworten zum Thema Depressionen

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Sterberisiko Einsamkeit

Das Sterberisiko steigt selbst dann, wenn sich der Betroffene selbst gar nicht allein fühlt, so das Ergebnis einer britischen Untersuchung. Die Forscher untersuchten dazu rund 6.500 Menschen ab einem Alter von 52 Jahren. Eine aktuelle epidemiologischen Untersuchung des Neurowissenschaftlers Cacioppo erklärt, warum das so sein könnte. Einsame Menschen haben demnach ein schwächeres Immunsystem. Hervorgerufen wird das durch überaktive Entzündungsgene, die sich in ihrem Blut mehr finden als im Serum anderer. 

Wie sehr sich die Qualität sozialer Beziehungen konkret auf die Sterberate auswirkt, hat eine Metaanalyse aus 148 Studien gezeigt, die drei Wissenschaftler der University of North Carolina at Chapel Hill und der Brigham Young in Provo im Jahr 2010 durchführten. Das schockierende Ergebnis hier: Einsamkeit schadet der Gesundheit ähnlich stark wie der tägliche Konsum von 15 Zigaretten. Außerdem ziehen die Forscher nach der Auswertung von 300.000 Patientendaten weitere Vergleiche zu gesundheitsschädlichem Verhalten: Vereinsamung sei ebenso schädlich ist wie Alkoholmissbrauch. Sie ist doppelt so gefährlich wie starkes Übergewicht. Außerdem leben einsame Menschen mit einem höheren Gesundheitsrisiko als Personen, die keinerlei Sport machen.

Die Liste der Gesundheitsgefahren ist lang. Bluthochdruck gilt ebenso als ein mögliches Begleitphänomen wie erhöhte Werte beim Stresshormon Cortisol. Einsamkeit sorgt also im Rückschluss für einen hohen Stresslevel. Vor diesem Hintergrund verwundert auch die Aussage der Pulheimer Ärztin nicht: "Außerdem belastet Vereinsamung das Herz."

Isolation wirkt sich nicht nur auf den körperlichen Gesundheitszustand aus, sondern ebenso auf die geistigen Fähigkeiten. So wies der Neuropsychologe Robert Wilson vom Rush Alzheimer's Disease Center in Chicago nach, wie anfällig Langzeitvereinsamte für Erkrankungen des zentralen Nervensystems sind. Sie werden vergesslicher und haben ein doppelt so hohes Risiko an Alzheimer zu erkranken. 

Wer aber wird zum Einsamen?


Haben Sie Angst vor Beziehungen?

Bei der Suche nach dem typisch Einsamen zeigt sich, "dass das Klischee vom seltsamen, einsamen Kauz oft nicht passt. Häufig sind es nicht die alten oder kranken Menschen, sondern junge, attraktive und beruflich erfolgreiche", sagt die Pulheimer Psychoanalytikerin. Die Gründe für das Alleinsein sind mannigfach: Gescheiterte Beziehungen, plötzliche Schicksalsschläge wie zum Beispiel ein Unfall oder eine schwere Erkrankung sie darstellen können sowie Bindungsangst. Aus ihrer Arbeit weiß Dunja Voos von vielen jungen Menschen zu berichten, die den Kontakt zu den Eltern abgebrochen haben. Oft bleibt die belastende Situation ein Familiengeheimnis "Beide Seiten schämen sich dafür. Werden die Eltern nach ihren Kindern gefragt berichten sie von Geschäftsreisen", sagt die Psychoanalytikerin.

Was aber ist der Grund für zahlreiche zerbrochene Eltern-Kind-Beziehungen und zunehmende Vereinsamung? "Den meisten Einsamen fehlt es an guten Bindungen", sagt Dunja Voos. Oft fehlen die schon in frühen Jahren. "Immer mehr Familien greifen auf Ganztagsschulen und Betreuungsangebote in Kindertageseinrichtungen zurück und verbringen in Folge dessen immer weniger Zeit mit dem eigenen Nachwuchs", erklärt sie. Das rächt sich auch nach Auffassung des deutsche Kinder- und Jugendlichenpsychiaters Karl Heinz Brisch. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung stellt er die Auswirkungen dar, die das seiner Meinung nach hat. Unter Obhut immer wechselnder Betreuung und fern von den Eltern kommt die emotionale Bindung zu kurz. "Darum gehen die Forscher davon aus, dass die Zahl bindungsgestörter Menschen weiter wächst", sagt Ärztin und Psychotherapeutin Dunja Voos. In anderen Ländern wie Frankreich oder England sei das Ergebnis immer knapper werdender Zeitressourcen, die Eltern mit ihren Kindern verbinden sehr deutlich: "Sie haben viel mehr Probleme. Auch die niederländischen Mütter kämpfen für das deutsche System und verstehen gar nicht, warum man das versucht abzuschaffen", sagt Voos.

Das hilft gegen Einsamkeit

Manchmal sind die Probleme, die zur Vereinsamung geführt haben tief verwurzelt. Die schnelle Lösung gibt es nicht. Man muss sich ganz viel Zeit geben", sagt Voss. Menschen, die hoffnungslos darin versinken, sollten psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. "Allein die Tatsache, mit jemandem über die eigene Situation zu sprechen, kann der Motor zur Veränderung sein. Die Betroffenen fühlen sich verstanden. Das kann wie ein Motivationsschub wirken, auch andere Kontakte wieder aufzunehmen.

Das Patentrezept aber bieten auch Therapeuten nicht. Während es dem einen hilft, seine Fühler nach außen zu strecken und in einem Verein oder Chor Anschluss zu suchen, lässt das im anderen erst rechts Gefühle von Vereinsamung aufkeimen. "Ganz wichtig ist das verbindende Element zwischen zwei Menschen", sagt die Psychoanalytikerin. So kann eine Selbsthilfegruppe für einsame Menschen eine Unterstützung sein, wenn sich dort Betroffene finden, die Interessen oder Ansichten teilen. Stimmt die Chemie zu niemandem, wird man dort voraussichtlich wenig Potential herausziehen können, meint die Expertin.

Vielen helfen die sozialen Netzwerke oder ein Haustier bei der Kontaktaufnahme. Wichtige Grundvoraussetzung für alle Bemühungen jedoch sei, sich selbst zu erlauben, auch mal einsam zu sein, sagt Voos. "Man muss das nicht immer gleich bekämpfen. Es kann wie Ausschlafen sein. Danach findet man den Mut, daran zu glauben, dass es auch wieder aufhört."

 


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