Athens neue Zauberformel lautet: Wir brauchen mehr Zeit für Reformen. Regierungschef Samaras hofft dadurch auch auf wichtige psychologische Impulse. Durch den Aufschub, so seine Hoffnung, könnten endlich erste Erfolge sichtbar werden - und damit die Griechen aus ihrer Agonie reißen.
Von Reinhard Baumgarten, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
Tatsächlich ist Zeit neben dem Euro die härteste Währung im griechischen Schuldenpoker. Aber leider gilt auch hier der platte Gemeinplatz: Zeit ist Geld. Bekommt Griechenland mehr Zeit, ist davon auszugehen, dass zusätzliches Geld fließen muss. Samaras behauptet zwar, dieser Fall werde nicht eintreten. Griechischen Medienberichten zufolge denkt der studierte Wirtschaftswissenschaftler über Umschuldung und Stundung laufender Verbindlichkeiten nach, die anstatt neuer Hilfspakete verrechnet werden sollen.
Samaras hofft auf erste Wachstumserfolge
Kann sein, dass das bei sehr viel gutem Willen der Europäischen Zentralbank geht, kann sein, dass es sich um fiskalische Hütchenspiele handelt oder, um es positiv zu sagen: um den Mut der Verzweiflung. Samaras will mehr Zeit, weil er fürchten muss, dass es in Griechenland zu einer sozialen Implosion und zu einer politischen Explosion kommen wird. Die Opposition - allen voran das Linksbündnis Syriza - hat schon massive Proteste angekündigt. Auch die Gewerkschaften wollen auf die Barrikaden gehen, wobei das durchaus wörtlich gemeint ist. Regierungschef Samaras will durch die zeitliche Streckung Druck aus dem griechischen Kessel nehmen. Seine Hoffnung ist auch, dass das Ende der Talsohle tatsächlich demnächst irgendwann einmal erreicht wird und er erste Wachstumserfolge melden kann.
Psychologie spielt im Schuldendrama eine große Rolle
Samaras weiß sehr wohl, dass in diesem Schuldendrama Psychologie eine sehr große Rolle spielt, und solange ständig nur Rekorde bei Arbeitslosigkeit, Sozialabbau, Jobverlusten und Wirtschaftseinbrüchen vermeldet werden, droht sein Land in Agonie zu versinken. Psychologisch gesehen könnten die erbetenen zwei Jahre wichtig sein. Aber nur dann, wenn wirklich und endlich wichtige Prozesse angeschoben würden: Verschlankung des Staates, Privatisierung staatlicher Unternehmen, Steuerehrlichkeit, Ende der Klientel- und Vetternwirtschaft. Ökonomisch gesehen sind zwei Jahre nicht viel für Hellas. Das Land ist wirtschaftlich falsch aufgestellt und gewaltige Anstrengungen der Griechen selbst wie auch ausländischer Investoren werden notwendig sein, um Griechenland vor dem Kollaps zu bewahren.