Geschlecht, Alter und Einkommen sind an ihnen zwar ablesbar, die meisten persönlichen Eigenschaften aber nicht, berichtet ein Team von Psychologen um Omri Gillath von der University of Kansas und seine Kollegen in einer Studie.
Die Studie:
"Shoes as a source of first impressions" ist im "Journal of Research in Personality" erschienen.
Noch wenig erforscht
Dass erste Eindrücke bei der Einschätzung von Mitmenschen wichtig sind, ist ein psychologischer Gassenhauer. Empirisch gut untersucht sind dabei Faktoren wie Gesichtsausdruck, Körperhaltung oder Kleidung. Mit Schuhen als Träger persönlicher Informationen hat sich die Wissenschaft bisher aber vergleichsweise wenig beschäftigt - auch wenn das älteste Zitat der aktuellen Studie auf das Jahr 1935 zurückgeht ("H. Zeisl: Die Psychologie des Schuhkäufers").
Um diese empirische Lücke zu schließen, haben die Forscher nun über 200 Studenten und Studentinnen gebeten, zum einen ein Foto ihrer Lieblingsschuhe zur Verfügung zu stellen und zum anderen eine Reihe von Fragebogen auszufüllen, die soziodemografische, politische und persönlichkeitsbezogene Informationen lieferten. Danach schätzten rund 60 andere Studenten die Schuhfotos ein und zogen Rückschlüsse auf die Eigenschaften ihrer Träger und Trägerinnen.
Viele Fehlschlüsse
Der erste Schluss, den die Psychologen ziehen: Die Einschätzung der Beobachter ist erstaunlich homogen, d.h. sie waren sich hochgradig einig über die Eigenschaften der Schuhträger - von ihrem Geschlecht und Alter bis zu ihren politischen Überzeugungen und Persönlichkeitsmerkmalen.
Der Haken dabei: Diese Einschätzungen entsprechen in vielerlei Hinsicht nicht der Realität. Bei Alter, Geschlecht und Einkommen gab es noch sehr hohe Übereinstimmungen, bei den persönlichen Eigenschaften aber unterschieden sich die Einschätzungen oft stark von den Selbstbildern der Schuhträger.
Ein Beispiel dafür betrifft besonders helle und bunte Schuhe. Die Fotobeobachter nahmen mehrheitlich an, dass ihre Träger extravertierte Personen sein müssen. Tatsächlich hingen aber nur ausgetragene und hohe Schuhe mit Extraversion zusammen, nicht aber die Farben. Die Beobachter irrten sich auch in der Annahme, dass herausgeputzte Schuhe auf besonders gewissenhafte Menschen verweisen. Es waren andere Faktoren, die in Wirklichkeit damit zusammenhingen, wie z.B. ein bunter Hintergrund, vor dem die Schuhe fotografiert wurden. Auch von billigen und weniger attraktiven Schuhen auf einen politisch liberalen (in europäischer Diktion: "linken") Träger zu schließen, erwies sich als Fehler.
Aber auch einiges ablesbar
Es gibt aber auch Persönlichkeitsmerkmale, die sich offenbar wirklich aus den Schuhen ablesen lassen, allen voran die Bindungsangst. Wer Schwierigkeiten hat, sich längerfristig an einen anderen Menschen zu binden, bevorzugt Schuhe, die aussehen wie neugekauft - möglicherweise, um einen guten Eindruck zu hinterlassen und eine Ablehnung durch andere zu vermeiden. Auch die Eigenschaft "Umgänglichkeit" scheint in den Schuhen zu stecken, denn sozial sehr verträgliche Menschen tendieren zu praktischem, funktionalem und leistbarem Schuhwerk.
Die Studienergebnisse müssen mit Vorsicht genossen werden, betonen die Forscher: Angefangen von der Auswahl der Teilnehmer bis zur Methode der Selbsteinschätzung von Persönlichkeitsmerkmalen. Schuhe sind dennoch eine "Quelle erster Eindrücke" von Menschen, wie es in der Überschrift des Artikels auch heißt. Ob die Unterschiede zwischen der Fremdeinschätzung der Schuhe und der Selbsteinschätzung ihrer Träger nun an mangelnden Informationen in den Schuhen liegen oder ob die Beobachter "mehr" über die Träger wissen als diese selbst, ist laut den Autoren eine offene Frage.
"Tragen Menschen Schuhe strategisch, um ein bestimmtes Image zu pflegen, und können Beobachter das durchschauen? Das sind grundlegende Fragen der Sozialpsychologie, die sich in vielen Bereichen abspielen - Schuhe sind eine attraktive Alternative für die Forschung", schreiben sie.
Lukas Wieselberg, science.ORF.at
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