Zu „Wort zum Sonntag“ von Pfarrer Michael Rau, Schwäpo vom 24.10.2015
Hallo Herr Rau, Sie behaupten, dass psychische Krankheiten – also seelische – ein großes Problem seien. Weiter behaupten Sie, dass Therapien lange dauern würden und wenig Erfolg hätten, weil die Psychologie gar nicht die ganze Seele zur Kenntnis nähme. Für mich ist das Ihre persönliche Meinung, diese ist vermischt mit Ihrer gesellschaftlichen Rolle eines Pfarrers. Aus meiner Sicht erheben Sie Anspruch auf die „richtige“ Auslegung von Seelsorge. Ich frage Sie: „Sind Sie Gott, der All-Mächtige, der All-Wissende ...?“.
Ich bin chronisch krank und als Betroffene habe ich über Seelsorge eine andere Ansicht. Sie kennen mich und meine Familie. Sie wissen, 2014 war ich todkrank, wäre beinahe gestorben. Mehrere Monate lag ich beatmet auf einer Intensivstation im Uniklinikum in München und wurde mit allen Mitteln der Hochleistungsmedizin behandelt.
Ich habe durch die tatkräftige Liebe meiner Familie und die berufliche Liebe und Kunst vieler Menschen in der Medizin, der Psychologie, der Pflege, der Ergotherapie, der Atemtherapie, der Klinikseelsorge verschiedener Konfessionen überlebt. Ich weiß aus erlebter Erfahrung, dass diese umfassende Sorge für meinen Körper und meine Seele geholfen hat, dass ich überlebt habe und weiterleben darf. Auch heute, am Ende des Jahres 2015, hilft mir eine solche umfassende Sorge sowohl kurzfristig wie langfristig immer wieder, um heiler und gesünder zu werden.
Ich lebe gerne, ich danke meinem Leben, dass ich leben darf. Ich bin beruflich integriert und ein gleichwertiges Mitglied dieser Gesellschaft mit meiner chronischen Erkrankung. Aus meinem Blickwinkel des chronisch kranken Menschen sind Ihre Behauptungen zur „richtigen Seelsorge“ verkürzt und nicht ausreichend differenziert, deshalb sind diese falsch und sie entbehren einer dem Menschen würdigen Grundlage.
Ursula Wolf,
Bopfingen/Bad Schussenried
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