Deutscher Forscher analysiert Geometrie des Zeigens und stellt fest, dass zwei unterschiedliche Systeme zur Anwendung kommen
Würzburg – Zeigegesten scheinen geradezu ein Sinnbild der Eindeutigkeit zu sein und sind ein wichtiger Bestandteil der zwischenmenschlichen Kommunikation. Mit der Klarheit ist es aber vorbei, wenn man auf entfernte, unauffällige Objekte zeigt. In diesem Fall verstehen Betrachter oftmals nicht, auf welches Objekt sich die Geste bezieht. Woran das liegt, berichtet die Universität Würzburg.
Zwei nicht ganz kompatible Systeme
Der Würzburger Psychologe Oliver Herbort hat den Vorgang genau analysiert. "Die geometrischen Regeln, die beschreiben, auf welche Art eine Person auf etwas zeigt, unterscheiden sich von den Regeln, die zur Interpretation von Zeigegesten herangezogen werden", sagt Herbort. Derjenige, der etwas zeigen möchte, bringt – aus seiner Perspektive – die Fingerspitze in die Nähe des zu zeigenden Objektes. Auge, Fingerspitze und das Objekt liegen in etwa auf einer Linie.
Leider verwendet der Betrachter nicht das gleiche System – er nimmt nämlich die zeigende Person mit ins Bild. So verlängert er die Linie, die sich aus Schulter, Arm und Zeigefinger ergibt, in Richtung des Fingerzeigs. "Dies führt dazu, dass der Betrachter oft viel zu hoch blickt", erklärt Herbort – und letztlich dazu, dass der vermeintlich klaren Geste mit einer verbalen Erklärung nachgeholfen werden muss.
Versuchsreihe
In einer Reihe von Experimenten mussten Herborts Testpersonen unter anderem auf einem Zahlenstrahl auf zuvor angesagte Zahlen zeigen. Per Motion Capturing wurde dabei die Körperhaltung genau festgehalten. In anderen Situationen mussten die Testpersonen Zeigegesten anderer interpretieren.
Dass die Abweichung bei der Interpretation der Gesten von anderen stets zu sehr nach oben ausschlägt, ließ sich mit einem einfachen Versuch demonstrieren. Zwei Versuchsteilnehmer zeigen abwechselnd auf Zahlen auf einem von oben nach unten verlaufenden Zahlenstrahl. Beide Versuchspartner haben die Aufgabe, immer nur auf die Zahl zu zeigen, auf die der andere gerade gezeigt hat. Im Idealfall würden beide also immer auf die gleiche Stelle zeigen. Dennoch zeigen die Versuchspersonen zusehends auf immer höhere Positionen. "Im Prinzip wird das Ziel der Zeigegeste immer als höher eingeschätzt, als dies vom Zeiger beabsichtigt ist", sagt Herbort. (red, 15. 11. 2015)