Warum Varoufakis seine Putschpläne ausgeplaudert hat

Die Meldungen überschlagen sich: Die Staatsanwaltschaft soll strafrechtliche Ermittlungen gegen den früheren Finanzminister Janis Varoufakis aufgenommen haben. Am Wochenende war wohl ein Tonmitschnitt aufgetaucht, in dem Varoufakis darüber plaudert, dass er das Computersystem seines Ministeriums hacken wollte.

Es klingt alles so, als hätten Varoufakis und seine Kollegen einen Währungsputsch geplant. Psychologie aktuell hat mit dem Psychologen Andreas Rexroth über den ehemaligen Finanzminister und Brüssel-Schreck Varoufakis gesprochen.

Psychologie aktuell: Vor einem halben Jahr noch der bewunderte Rebell auf dem Motorrad, heute scheinbar ein Fall für den Staatsanwalt. Wie ist das psychologisch einzuschätzen? Was treibt diesen Mann?

Andreas Rexroth: Zunächst einmal muss man feststellen, dass nicht Varoufakis sich in den vergangenen Monaten verändert hat, sondern nur die Wahrnehmung dessen, wie er sich gibt und wie er handelt.

Psychologie aktuell: Trauen Sie Varoufakis wirklich derartige kriminelle Energie zu, dass er als Finanzminister sein eigenes Ministerium hacken lassen könnte und einen Währungsputsch plante?

Andreas Rexroth: Ich traue ihm diese Energie zu, ob sie kriminell ist, muss der Staatsanwalt prüfen, das steht mir nicht zu. Die gesamte griechische Regierung unter Alexis Tsipras erscheint aus der Ferne aber einer revolutionären Dynamik zu folgen. Diese Damen und Herren ticken tatsächlich anders als sämtliche Vorgängerregierungen.

Man findet im Handeln der griechischen links-rechts Regierung kommunikativ und auch psychodynamisch deutliche Anleihen an neo-sozialistische Bewegungen in Südamerika. Man denke nur an Venezuela, Ecuador und Bolivien.

Tsipras selbst soll ja ein glühender Verehrer von Che Guevara sein und sogar sein Kind nach ihm benannt haben. Hier lebt jemand seinen Jungendtraum einer bolivianischen Revolution mitten in Europa aus.

Psychologie aktuell: Wie gefährlich ist das für Griechenland und Europa?

Andreas Rexroth: Wie das politisch zu bewerten ist, müssen andere entscheiden. Psychologisch macht es grundsätzlich Sorge, wenn eine Gruppe von Leuten irgendwo an die Macht kommt, die von Jugendträumen und Ideologien geleitet zu sein scheint.

Denn die narzisstische Umsetzung von eigenen Träumen ist eine ziemlich undemokratische Veranstaltung. Eine Regierung ist kein Spielzimmer und Griechenland kein Miniatur-Wunderland, sondern ein ganz realer Flecken Erde mit echten Menschen in Not.

Psychologie aktuell: Aber Syriza ist durch Wahlen legal an die Macht gekommen!

Andreas Rexroth: Sicher, aber das ist ja Chavez seinerzeit in Venezuela auch. Schauen Sie, die Griechen haben Tsipras, Varoufakis und Kollegen doch nicht gewählt, weil sie wollten, dass die Jungs in der Regierung ihre feuchten Jugendträume von der Weltrevolution zur realen Politik des Landes machen.

Die Griechen haben doch ganz augenscheinlich von der Vetternwirtschaft genug gehabt, von der Schuldenkrise und der Unsicherheit. Stattdessen haben sie nun ein Mehr davon bekommen, aus als Vision eingekleidetem Narzissmus. Churchill und Helmut Schmidt wird das Zitat zugeschrieben, dass man zum Arzt gehen solle, wenn man Visionen habe. Das gilt.

Psychologie aktuell: Sie sehen also in Athen selbstverliebte Träumer am Werk?

Andreas Rexroth: So kann man das sagen. Der Narzissmus quillt Herrn Varoufakis ja im Grunde aus jeder Pore. Und jetzt fällt er sogar seinem Ex-Chef in den Rücken indem er diese obskuren Putschpläne ausplaudert. Wer hier als Psychologe keinen Narzissmus und keine gekränkte Eitelkeit erkennt, dem ist auch nicht zu helfen.

Psychologie aktuell: Was glauben Sie, wie es in Griechenland weitergehen wird?

Andreas Rexroth: Es hat den Anschein, dass es zumindest Herr Tsipras irgendwann um dieses Referendum herum gedämmert haben muss, dass das mit seinen Träumen nichts wird.

Putin soll ihm ja nach Agenturmeldungen den erhofften monetären Rückhalt für einen Währungsputsch nicht gegeben haben. Schon interessant, dass Herr Tsipras in den Tagen danach sichtbar an Lippenherpes erkrankt war, einer klassischen Stresskrankheit.

Psychologie aktuell: Also aus der revolutionäre Traum in Athen?

Andreas Rexroth: Ja, ich denke schon. Ohne das Korsett namens EU wäre das sicher anders ausgegangen. Aber Tsipras, Varoufakis und Kollegen mussten wohl erkennen, dass man innerhalb dieses Korsetts keine bolivianisch-sozialistische Revolution durchziehen kann.

Tsipras wird vielleicht noch hoffen, dass sein Kumpel von Podemos in Spanien die Wahlen gewinnt, um einen Mitstreiter zu haben. Aber nach dem Chaos in Griechenland wird das wohl eher nichts.

Pychologie aktuell: Und Herr Varoufakis?

Andreas Rexroth: Der gute Janis, nun, dem wird die narzisstische Kränkung der ausgefallenen Revolution noch eine Weile quer im Magen liegen und ich wette wir hören wieder von ihm. Er wäre der erste Narziss, der einfach still hinter den Kulissen verschwindet.

Aber im Grunde ist das auch gar nicht so schlecht. Der Mann hat Unterhaltungswert, Narzissten plaudern dafür einfach zu gern über sich und ihre Grandiosität. Sie lieben das, was man in der Psychologie den "demonstrativen Zug" nennt. Der Mann wird also vermutlich noch weitere Geheimnisse ausplaudern, er wird singen wie eine Lerche. Aber irgendwie passt es, Narziss war ja auch ein Grieche.

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