26.03.2015, 11:13 | Wissenschaft | Autor: idw | Jetzt kommentieren
Seit den 1940er Jahren kennt die Psychologie den so genannten Einstellung-Effekt. Forscherinnen und Forscher arbeiten an einem soliden Verständnis, wie das Phänomen funktioniert.
„Unser Gehirn bevorzugt in der Regel eine bekannte, vertraute Lösung, statt auf Alternativen zu kommen“, erklärt Merim Bilalić (Institut für Psychologie). Dieses Phänomen ist bekannt, seit der amerikanische Psychologe Abraham Luchins im Jahr 1942 Experimente mit verschieden großen Wassergläsern durchführte. Die UntersuchungsteilnehmerInnen mussten die Gläser mit dem Ziel umschütten, am Ende 100 Einheiten in einem Glas zu haben. Der Weg dazu umfasste drei Schritte. Als man ihnen nun einfachere Aufgaben zu lösen gab, versuchten sie trotzdem den komplizierteren dreischrittigen Weg.
„Ähnliche Untersuchungen werden auch mit SchachspielerInnen durchgeführt“, so Bilalić. In seinen Experimenten wurden die professionellen SpielerInnen vor eine Situation gestellt, in der sie ein bekanntes fünfschrittiges Manöver („ersticktes Matt“) durchführen konnten. Sie konnten das Spiel aber auch für sich entscheiden, indem sie eine weniger vertraute, aber nur dreischrittige Strategie wählen. Die meisten SpielerInnen wählten die bekannten Spielzüge. Durch die darauf folgenden Interviews konnte nicht eruiert werden, warum sie die (einfachere) Alternative außer Acht ließen.
Bilalić und seine KollegInnen entschieden sich dafür, die Augenbewegungen der SpielerInnen mit einer Infrarot-Kamera aufzuzeichnen. „Wir konnten dabei feststellen, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes blind für die alternativen, aber besseren Lösungen waren“, erklärt der Psychologe. Sie blickten demnach nicht von den Feldern weg, die sie für das „erstickte Matt“ identifiziert hatten, obwohl sie behaupteten, alternative Wege untersucht zu haben. Die neu untersuchten Wege waren offensichtlich nur Variationen der schon gefundenen langen fünfschrittigen Lösung.
Diese Befangenheit sei, so Bilalić, in vielerlei Bereichen problematisch. Besonders schwierig sei der Einstellung-Effekt, weil dieses Phänomen vielen nicht bewusst sei: „Wir glauben, dass wir offen auf Probleme zugehen. Es ist aber so, dass unser Gehirn die Aufmerksamkeit unbewusst immer dorthin lenkt, wo bereits Bekanntes abgespeichert ist. Jede Information, die nicht zu der Lösung oder Theorie passt, die wir bereits verinnerlicht haben, wird tendenziell ignoriert oder ausgeblendet.“ Ärztinnen und Ärzte könnten so beispielsweise falsche Diagnosen erstellen und Richterinnen und Richter eher so entscheiden, wie sie es in vergangenen Fällen getan haben. Bilalić folgert daraus: „Wir müssen uns unserer Fehler bewusst sein, wenn wir unser Denken ernsthaft verbessern wollen.“
Weitere Informationen:
- http://www.uni-klu.ac.at/main/inhalt/uninews_43558.htm
- http://wwwg.uni-klu.ac.at/psy/index.php?cat=perssub=ixid=249
Quelle: idw
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