Kann ja passieren, dass man beim Durchschalten mal kurz bei "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" hängenbleibt. Pech nur, wenn man die Anfangsmelodie erwischt, denn die läuft im Kopf weiter. Und weiter. Und weiter. Auch wenn man sich längst wieder dem wertvollen Kulturprogramm zugewendet hat, dudelt es noch immer im Kopf: "Ich seh in dein Herz".
Psychologen können inzwischen gut erklären, warum Musik sich manchmal so hartnäckig festsetzt. Für alle, die die Melodie von "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" zufällig kennen und jetzt im Ohr haben: Die Forscher wissen auch, wie man lästige Ohrwürmer wieder loswird. Aber das verraten wir erst am Ende des Textes.
Ira Hyman und Kollegen spielten Studenten Musik von Lady Gaga, Beyoncé und den Beatles vor. Anschließend fragten sie, wie gut die Versuchspersonen die Lieder kannten, wie gerne sie sie mochten und wie oft sie diese normalerweise hörten. Dann ließen sie die Studenten fünf Minuten lang Aufgaben lösen. Danach sollten sie angeben, ob sie dabei imaginär Musik gehört hatten und wenn ja welche. Per E-Mail fragten die Forscher die Studenten später, ob sie innerhalb der 24 Stunden nach dem Versuch Ohrwürmer gehabt hatten.
Wenn ein Song den Versuchspersonen, gleich nachdem sie ihn gehört hatten, im Ohr blieb, kehrte dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten 24 Stunden zurück. Hyman führt das auf den sogenannten Zeigarnik-Effekt zurück. Dieser besagt, dass man sich an unterbrochene Gedanken und unvollendete Aufgaben besser erinnert als an abgeschlossene. Bringt man eine Sache zu Ende, hakt das Gehirn sie gewissermaßen als erledigt ab. Wird eine Aufgabe, ein Gedanke oder eine Geschichte dagegen unterbrochen, bleibt die Spannung erhalten, das Thema beschäftigt einen weiterhin. Serien-Süchtige kennen das Phänomen gut: Auch wenn die Augen schon brennen, brauchen sie noch eine letzte Folge, und dann noch eine wirklich letzte.
"Such dir deine Ohrwürmer selbst aus"
"Wenn der Song im Kopf läuft, ähnelt er einem aktiven Gedanken", schreibt Ira Hyman in dem wissenschaftlichen Artikel, den er "Going Gaga" genannt hat. Und es sei unwahrscheinlich, dass jemand diesen zu Ende bringe. Schließlich kehren bei den meisten nur kurze Abschnitte von Musikstücken wieder, kaum jemand erinnert sich an vollständige Songs. Die Forscher testeten auch, ob Lieder eher Ohrwürmer werden, wenn man sie abbricht, als wenn man sie ausspielt. Der Zeigarnik-Effekt legt das nahe. Die Vermutung bestätigte sich bei den Versuchen aber nicht.
Überraschend war hingegen ein anderes Ergebnis der Psychologen: Man behält viel öfter Songs im Ohr, die man mag, als solche, die einen nerven. Dass man mit einem Ohrwurm trotzdem normalerweise keine angenehme Erfahrung verbindet, sondern ihn eher als Tortur wahrnimmt, liegt Ira Hyman zufolge an verzerrter Wahrnehmung: "Ich glaube, der Mythos des lästigen Ohrwurms beruht darauf, dass es besonders auffällt, wenn das passiert", sagt der Psychologe. Kaum jemand wird etwas dagegen haben, wenn sein Lieblingslied ihn den Tag über begleitet. In Erinnerung bleibt dagegen der nervige Song, der einen wiederholt ärgert - auch wenn das vergleichsweise selten passiert.
Hyman empfiehlt deshalb: "Hör Musik, die du magst, dann suchst du dir deine Ohrwürmer selbst aus." Menschen, die selten gezielt Musik hörten, seien eher anfällig für die Melodien in der Umgebung wie etwa "fürchterliche Jingles im Fernsehen".
Wenn es für diese Vorsichtsmaßnahme schon zu spät sein sollte ("Ich seh in dein..."), hilft eine Beschäftigung, die einen angenehm fordert. Bei zu einfachen Tätigkeiten wie Spazierengehen schweifen die Gedanken leicht ab, dann kommt der Song wieder. Zu schwierige Aufgaben sind auch nicht geeignet, um den Ohrwurm loszuwerden, denn dann lässt man sich leicht ablenken - und da ist er wieder. Am besten funktionierten bei den Versuchspersonen leichte Sudokus. Dabei hatten sie ihre Ruhe.