Seit bald vierzig Jahren verfolge ich den Spengler Cup mehr oder minder intensiv als Fernsehzuschauer. In all den Jahren habe ich mich aber keine Sekunde gefragt, wie der Spengler Cup zu seinem Namen kam, so etabliert ist die Marke. Erst im Zusammenhang mit einem Buch über den Davoser Pionier Hans Biäsch – Gründer des Instituts für Angewandte Psychologie (IAP) in Zürich – stiess ich auf die Spengler-Dynastie. Es ist eine faszinierende Geschichte, dazu auch sehr illustrativ für die schweizerische Wirtschaftsentwicklung. Den Davosern dürfte die Geschichte schon längst bekannt sein, aber nicht uns Ahnungslosen im Flachland.
Die Geschichte begann in Mannheim, wo der Student Alexander Spengler 1848 in Barrikadenkämpfe verwickelt war. Wie viele seiner Kollegen wollte er im Grossherzogtum Baden eine moderne Verfassung mit revolutionären Mitteln durchsetzen. Das Unterfangen misslang, Spengler musste über die Südgrenze in die Schweiz fliehen, um der Verurteilung zu entgehen. Er studierte darauf Medizin an der Universität Zürich und erhielt 1853 eine Stelle als Landarzt in Davos.
Spengler erkannte bald die Möglichkeit, aus Davos einen international bekannten Kurort zu machen, insbesondere zur Bekämpfung der Tuberkulose. 1868 gründete er zusammen mit dem Holländer Willem Jan Holsboer die Kuranstalt Spengler-Holsboer, wo dereinst Katja Mann einen mehrmonatigen Aufenthalt verbringen sollte – was ihren Gemahl Thomas Mann auf die Idee brachte, einen Roman zu schreiben. 1924 erschien der «Zauberberg». Spengler interessierte sich nicht nur für Lungenkranke, sondern auch für den Wintersport und war einer der Ersten, der ein Paar nordische Skier erwarb (heute im Wintersport-Museum Davos zu besichtigen).
Diese Leidenschaft gab er auch seinem Sohn Carl (1860-1937) weiter, der ebenfalls als Lungenarzt in Davos tätig war. Carl begeisterte sich vor allem für Eishockey und gründete 1923 den Spengler Cup, das älteste internationale Eishockey-Turnier. Damit verfolgte er auch politische Ziele: Er wollte nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs (1914-18) zur Völkerverständigung unter den Jugendlichen beitragen. Auch Carls Bruder Lucius, ebenfalls ein renommierter Lungenarzt in Davos, betätigte sich als Pionier: 1900 gründete er das Sanatorium Schatzalp, das 1954 in ein Hotel verwandelt wurde.
Die zugewanderten Vater und Söhne Spengler haben also fast im Alleingang das moderne Davos erfunden. Das ist äusserst typisch für die Wirtschaftsgeschichte der Schweiz. Schon in der Frühen Neuzeit waren es zugewanderte Hugenotten gewesen, die für neue Impulse in der Uhren- und Textilindustrie sorgten. Den schweizerischen Alpinismus haben die Engländer erfunden. Die BBC wurde von Charles E. L. Brown, Sohn eines zugewanderten Engländers, und dem Deutschen Walter Boveri gegründet. Und so weiter und so fort. Die Schweizer Wirtschaft ist nichts anderes als ein Spengler Cup in grösserem Massstab.
Schlagworte: Wirtschaftsgeschichte
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