Zum Sachverhalt
Wie zu Beginn jedes Semesters, haben auch im Wintersemester 2011/2012 zahlreiche Antragstellerinnen und Antragsteller versucht, durch gerichtliche Entscheidung einen Studienplatz außerhalb der durch Verordnung festgelegten Studienplatzkapazität zu erhalten, die bisher keine Zulassung zu dem von ihnen begehrten zulassungsbeschränkten Studiengang erhalten hatten. In den Studiengängen Human- und Zahnmedizin sowie Psychologie hatte das VG insgesamt ca. 750 Anträge zu bearbeiten. Die Verfahren 8 C 748/11 u. a. betreffen die klinische Medizin, 8 C 708/11 u. a. die Humanmedizin, 8 C 706/11 u. a. die Zahnmedizin und 8 C 741/11 die Psychologie.
Entscheidung des VG
Anders als in den vergangenen Semestern fand das VG bei der Kontrolle der von der Universität vorgenommenen Kapazitätsberechnungen, verteilt auf alle Studiengänge zahlreiche weitere „verborgene“ Studienplätze. Grund hierfür war im Wesentlichen ein vom VG vorgenommener Sicherheitsaufschlag von 15 % auf die bisher errechnete Kapazität. Diesen hielt es für erforderlich, weil die Universität Göttingen den vom Land Niedersachsen mit den Universitäten im Lande geschlossenen „Zukunftsvertrag II“, dem der Landtag in seiner Sitzung v. 6. 10. 2010 zugestimmt hat und der zum 1. 1. 2011 in Kraft getretenen ist, nicht umgesetzt habe.
Mit diesem, vor dem Hintergrund des doppelten Abiturjahrgangs 2011 abgeschlossenen Vertrag, soll erreicht werden, dass für die nächsten vier Jahre in jedem Studienjahr eine zusätzliche Studienplatzkapazität von 5000 Studienplätzen geschaffen werden kann. Ferner wollen die Vertragschließenden erreichen, dass 40 % eines Altersjahrgangs ein Studium aufnehmen können. Die hierfür im Wege der Kofinanzierung zwischen Land und Universitäten zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel belaufen sich auf knapp 2 Milliarden Euro jährlich. Das nach diesem Vertrag vorgesehene Verfahren zur Ermittlung und Verteilung zusätzlicher Studienplatzkapazitäten sieht vor, dass in einem ersten Schritt zu ermitteln ist, wie viele zusätzliche Lehrverpflichtungsstunden bei einer Universität auf Grund der dort vorhandenen Professorenkopfzahl zur Verfügung stehen. In einem zweiten Schritt müssen diese „Mehrstunden“ den einzelnen Studienfächern/-gängen unter sorgfältiger Interessenabwägung zugewiesen werden. Beides, so das VG, sei an der Georg-August-Universität nicht geschehen. Mit ihren Gegenargumenten dringe die Universität nicht durch.
Die Universität hatte eingewandt, dass es im März 2011 auf Grund der sich abzeichnenden mangelnden Bereitschaft der Professorinnen und Professoren freiwillig zusätzliche Lehrverpflichtungen zu übernehmen, im Einvernehmen mit dem niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur zu einer Abkehr von der vereinbarten Ermittlung und Verteilung zusätzlicher Lehrkapazitäten gekommen sei. Nunmehr sollten nur noch insgesamt 8320 statt 20 000 Studienplätze für Studienanfänger in dem genannten Vierjahreszeitraum geschaffen werden. Um dies Ziel zu erreichen, habe man im Vorgriff auf eine ohnehin beabsichtigte und mittlerweile umgesetzte gesetzliche Erhöhung der Lehrverpflichtungsstunden diesen um eine Lehrverpflichtungsstunde je Professor erhöhten Wert der Kapazitätsberechnung zu Grunde gelegt. Diese abweichende Vereinbarung erkannte das VG nicht an, weil sie ohne erneute Befassung des Landtags als Haushaltsgesetzgeber nicht hätte geschlossen werden dürfen. Eine solche Befassung habe jedoch nicht stattgefunden. Ob die von der Universität vorgenommene Erhöhung der Lehrverpflichtungsstunden ausreiche, um die angestrebte Erhöhung der Studienplatzkapazitäten zu erreichen, sei unsicher, jedenfalls könne davon nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Diese Unsicherheit belegte das VG mit dem Sicherheitsaufschlag von 15 %. (VG Göttingen, Beschl. v. 2. 11. und 4. 11. 2011 – 8 C 706/11 u. a.)
Pressemitteilung des VG Göttingen v. 11. 11. 2011