Verdrängte Gefühle wirken sich auf Gesundheit aus

Deutsche Psychologen postulieren einen Zusammenhang zwischen der Verdrängung unangenehmer Gefühle und Bluthochdruck

Jena - Wer unangenehme Gefühle permanent unterdrückt, wird über kurz oder lang krank. Diese These postulierte bereits Ende des 19. Jahrhunderts Sigmund Freud. Obwohl häufig zitiert und in der Alltagspsychologie fest verankert, stand der wissenschaftliche Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung bislang aus. "Zwar seien Spekulationen vor allem in der populärwissenschaftlichen Literatur weit verbreitet, doch ob Menschen, die negative Gefühle vermeiden, tatsächlich häufiger unter körperlichen Krankheiten leiden als andere, ist bislang nicht nachgewiesen worden", erläutert der Psychologe Franz Neyer von der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) in Jena.

Nachwuchsforscher vom Institut für Differentielle Psychologie, Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik der FSU haben nun eine neuere Version dieser Theorie überprüft und die Ergebnisse in der Fachzeitschrift "Health Psychology" veröffentlicht. Dafür wurden sämtliche weltweit verfügbaren Einzelergebnisse zusammengetragen, die das Auftreten von Krankheiten wie Krebs, Herz-, Kreislauferkrankungen, Asthma oder Diabetes im Zusammenhang mit Verdrängungstendenzen untersucht haben.

Stress und Angstreaktionen

Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass es einen Zusammenhang zwischen Verdrängung und einigen Krankheiten gibt. "Das Unterdrücken unangenehmer Gefühle ist ein allgemeiner Abwehrmechanismus, den jeder Mensch von Zeit zu Zeit nutzt", erklärt Marcus Mund, Hauptverantwortlicher der Studie.  "Es gibt aber auch Menschen, in deren Persönlichkeit das Prinzip der Abwehr - auch Repression genannt - wesentlich verankert ist", so der Psychologe weiter.

Im Mittelpunkt der Studie standen Daten über typische "Represser" - also Menschen, die negative Gefühle generell unterdrücken. "Diese Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie einerseits angeben, wenig Angst zu verspüren und sich andererseits sehr defensiv verhalten, also wenig risikofreudig sind und stets eine hohe Kontrolle über sich und die jeweilige Situation suchen", so Marcus Mund. Zudem sind Represser auch weitaus ängstlicher als sie selbst glauben oder zugeben wollen. "Setzt man Represser psychischem Stress aus, so zeigen sie heftige körperliche Angstreaktionen, wie Schwitzen oder einen beschleunigten Puls", betont der Studienleiter.

"Die Krebspersönlichkeit gibt es nicht"

Genau an diesem Punkt, so der Psychologe weiter, setze auch der Einfluss auf die körperliche Gesundheit ein. So bestehe ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Repression und einem erhöhten Blutdruck. Chronischer Bluthochdruck wiederum kann schwerwiegende Folgeerkrankungen wie koronare Herzerkrankungen, Nieren- oder Augenschäden verursachen. Für andere Krankheiten, wie Krebs, lasse sich allerdings kein Zusammenhang zwischen der Unterdrückung von Emotionen und dem Risiko zu erkranken feststellen. "Die häufig ins Spiel gebrachte sogenannte Krebspersönlichkeit gibt es definitiv nicht", ist sich Marcus Mund sicher.

Allerdings bedeute die persönliche Veranlagung zur Repression nicht, dass auftretende Krankheiten auch schwerer verlaufen als bei Nicht-Repressern. Im Gegenteil: "Aufgrund ihres hohen Kontrollbedürfnisses sind Represser in der Regel sehr diszipliniert und motivierter, ihren Lebensstil an die Krankheit anzupassen", so der Nachwuchswissenschaftler. Werden diese Ressourcen genutzt, könne sich das günstig auf den Therapieerfolg auswirken. Die Psychologen betonen jedoch, dass viele der vorliegenden Studien keine Rückschlüsse darüber erlauben, was die abhängige und unabhängige Variable sei. Das heißt, es ist noch zu klären, ob die Verdrängung zu chronischen Krankheiten führt oder ob jemand verdrängt, weil er chronisch krank geworden ist. (red, derStandard.at, 21.11.2012)

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