Am 7. Juli 2005 hob der Europäische Gerichtshof (EuGH) die damalige Regelung des Universitätszugangs in Österreich auf. Folge war die prompte Einführung von Zugangsbeschränkungen in einigen Fächern aufgrund eines befürchteten Ansturms deutscher Studenten - seither wurden die diversen Regelungen mehrfach geändert. Zehn Jahre nach dem EuGH-Urteil ist der Uni-Zugang nach wie vor eine Baustelle.
Bis zum EuGH-Urteil berechtigte in Österreich nur ein heimisches Matura-Zeugnis automatisch zu einem Studium. Schulabgänger mit Reifeprüfung aus anderen EU-Staaten brauchten dagegen auch eine Zugangsberechtigung zur konkreten Studienrichtung in ihrem Heimatland, etwa eine Aufnahmeprüfung oder eine Mindestnote für den Numerus Clausus (NC). Der EuGH sah dies als "diskriminierend" an: Alle Studienwerber müssten gleich behandelt werden - also entweder Zugangsbeschränkungen für alle Studienwerber oder für niemanden.
Auf Numerus Clausus-Flüchtlinge gemünzt
Gemünzt war die aufgehobene Regelung auf potenzielle deutsche NC-Flüchtlinge vor allem in der Medizin und in Massenfächern wie Psychologie, Publizistik und Wirtschaftswissenschaften. Tatsächlich registrierten sich am Tag nach dem Urteil bereits mehrere hundert Deutsche an der Medizin-Uni in Wien. Aber auch die Politik reagierte schnell: Ebenfalls am 8. Juli erlaubte der Nationalrat mit den Stimmen der damaligen Regierungsparteien ÖVP und BZÖ den Unis die Einführung von Zugangsbeschränkungen in den Fächern Human-, Zahn- und Veterinärmedizin, Biologie, Psychologie, Pharmazie, BWL und Publizistik.
Ab dem Studienjahr 2006/07 wurde in Human- und Zahnmedizin außerdem eine "Quotenregelung" eingeführt: 75 Prozent der Studienplätze sind demnach für Inhaber österreichischer Reifezeugnisse reserviert, 20 Prozent für EU-Bürger und fünf Prozent für Nicht-EU-Bürger. Auch dagegen leitete die EU-Kommission ein Verfahren ein, das allerdings bis Ende 2016 ruht: Bis dahin hat Österreich Zeit, die Quote mit dem Nachweis einer Gefährdung des Gesundheitssystems wegen eines drohenden Ärztemangels zu rechtfertigen.
Beschränkungen sukzessive aufgehoben
Seit 2005 blieben nur die Beschränkungen in den drei medizinischen Fächern und Psychologie unverändert aufrecht (wobei sich allerdings auch hier zum Teil die Modalitäten der Aufnahmeverfahren änderten). Schon 2007 wurden die Beschränkungen für Biologie und Pharmazie ausgesetzt, im Jahr darauf die Hürden für Publizistik und Betriebswirtschaft vom Nationalrat abgeschafft - in jener schon fast "legendären" Vorwahl-Sitzung, in der SPÖ, FPÖ und Grüne auch die Studiengebühren für das Gros der Studenten aufhoben.
Ab diesem Zeitpunkt war der Uni-Zugang regelmäßiges Streitthema zwischen ÖVP und SPÖ - mit Kurzzeit-Kompromissen und befristeten Regelungen als Folge. Mittels eines "Notfall-Paragrafen" wurde 2010 etwa der Zugang in der Publizistik wieder beschränkt, seit 2013 dürfen die Unis in den Studienfeldern Informatik, Biologie, Architektur, Pharmazie und Wirtschaftswissenschaften beschränken - allerdings jeweils nur auf eine Zahl, die dem Schnitt der Studienanfänger der letzten drei Jahre entspricht. Derzeit wird über eine Verlängerung dieser Ende 2015 auslaufenden Regelung verhandelt - Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) will darüber hinaus sogar eine Ausweitung auf Fächer wie Jus und Chemie.
Zahl deutscher Studenten vervierfacht
Ganz unbegründet dürfte die damalige Sorge vor einem Ansturm deutscher Studenten nicht gewesen sein: Trotz Zugangsbeschränkungen vervierfachte sich die Zahl deutscher Studenten in Österreich zwischen 2004/05 - also dem letzten Studienjahr vor dem EuGH-Urteil - und 2014/15 von 7.700 auf 29.500. Trotzdem geht der starke Anstieg der Studentenzahlen an den Unis nicht hauptsächlich auf das Konto der Deutschen: Im gleichen Zeitraum wuchs die Zahl der inländischen Studenten von 171.000 auf 221.000.
Der Anteil der deutschen Studenten an der Gesamt-Studentenzahl an den Unis stieg zwischen 2004/05 und 2014/15 von 3,7 auf 9,7 Prozent. Sie stellen damit die größte Gruppe und insgesamt etwas mehr als ein Drittel aller 84.000 ausländischen Studenten in Österreich.
(APA/red, Bild APA/Neubauer)