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Tamiflu gerät zum Spielball der Wissenschaft
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Tamiflu-Pflichtlager bleibt vorerst
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wird die geäusserten Zweifel an der Wirksamkeit des Roche-Grippemittels Tamiflu zusammen mit Experten genau prüfen. Gegenwärtig sieht es keinen Anlass, etwas an der Pflichtlagerhaltung für den Pandemiefall zu ändern.
Die neueste und dritte Studie des Forschernetzwerks Cochrane Collaboration sei erst heute veröffentlicht worden. Da sei es noch zu früh, für Entscheide bezüglich der Pandemie-Massnahmen, sagte BAG-Mediensprecherin Mona Neidhart auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.
Sollten sich nach einer genauen Prüfung Änderungen bezüglich des Tamiflu-Pflichtlagers aufdrängen, würden diese auch vorgenommen.
(sda)
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- Zweifel an Tamiflu – Der Druck auf Roche nimmt zu
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Der Streit um die Wirksamkeit von Tamiflu ist zunächst eine Auseinandersetzung über die richtige Interpretation von Studien und deren Ergebnissen. Die Forscher der Cochrane Collaboration, welche die Wirksamkeit des Grippemittels bezweifeln, haben insgesamt 83 klinische Studien ausgemacht. Roche wirft den Wissenschaftlern vor, nur einen Teil der Studien berücksichtigt zu haben. Die Forscher wiederum behaupten, sie hätten nur die verlässlichen Studien ausgewählt, die eine Antwort auf die von ihnen gestellten Fragen geben. Zu den Standards einer klinischen Studie zählt etwa, dass weder Arzt noch Patient wissen, ob das eigentliche Medikament oder nur ein Placebo verabreicht wird. In gewissen Tamiflu-Studien hatten jedoch Original und Placebo verschiedene Farben. Aus diesem und ähnlichen Gründen wurden zahlreiche Studien von den Forschern nicht berücksichtigt.
Pikant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass selbst die einzelnen Zulassungsstellen zu teils sehr unterschiedlichen Schlüssen kommen, etwa was allfällige Komplikationen bei einer Grippe anbelangt. Die europäische Zulassungsbehörde EMA hält bis heute daran fest, dass Tamiflu Fälle von Atemwegsbeschwerden wie etwa Bronchitis verringerte.
Die US-Zulassungsbehörde FDA kann aufgrund der Studiendaten allerdings keinen solchen Beleg ausmachen. Das einflussreiche US-Zentrum für Krankheitskontrolle und Prävention wiederum schreibt, dass Tamiflu das Risiko einer Lungenentzündung mindere. Zu einem gegenteiligen Schluss kommt jene kanadische Behörde, die Kosten und Nutzen von Medikamenten einschätzt.
Selbst Roche hat im Verlauf der Jahre widersprüchliche Aussagen gemacht, wie die Cochrane-Forscher in einem Papier aufzeigen. Auf der Website des Konzerns hat Roche die Aussage gemacht, Tamiflu verringere die Zahl der Komplikationen wie Bronchitis oder Lungenentzündungen. Auf der lediglich an das amerikanische Publikum gerichteten Site Tamiflu.com hiess es, dass das Mittel keinen positiven Einfluss gegen die genannten Krankheiten habe.
Kritik an Swissmedic
Aufgrund dieser unterschiedlichen Schlussfolgerungen stellt sich die Frage, auf welche Daten sich die Behörden bei ihrer Zulassung von Tamiflu gestützt haben. Die Cochrane-Forscher behaupten, dass die Zulassungsstellen in den einzelnen Ländern und Regionen nicht über alle klinischen Studien verfügt hätten. Beweisen können die Wissenschaftler dies jedoch nicht. «Da wir auf die Frage, welche Studien berücksichtigt worden sind, keine Antwort erhalten haben, gehen wir von Ungereimtheiten aus», sagt Cochrane-Forscher Tom Jefferson.
Auffällig ist auch, dass eine der Studien mit den höchsten Patientenzahlen nie publiziert wurde, wie der Autor und Kolumnist Ben Goldacre schreibt. Die entsprechenden Ergebnisse seien auch kaum je in Dokumenten von Regulierungsbehörden erwähnt oder zitiert worden. Der Brite hat in seinem Buch «Bad Pharma» auf die fatalen Folgen hingewiesen, wenn nur ein Teil der klinischen Studien zu einem Medikament publiziert wird. Goldacre hat eine Kampagne initiiert, um diesen Mangel auf europäischer Ebene zu beheben.
In der Schweiz hat die zuständige Arzneimittelbehörde Swissmedic bisher stets behauptet, alle vorhandenen Studien, die Roche eingereicht habe, analysiert zu haben. Welche Studien die Arzneimittelbehörden im Einzelnen tatsächlich geprüft hat, ist nicht bekannt. Entsprechende Anfragen wurden mit Verweis auf das Geschäftsgeheimnis nicht beantwortet.
Trotz der neuen Erkenntnisse sieht Swissmedic keinen Handlungsbedarf. Politiker verschiedener Parteien kritisieren dies. CVP-Nationalrätin und Gesundheitspolitikerin Ruth Humbel fordert die Behörde auf, die Zulassung anhand der neuen Studienergebnisse zu überprüfen. Und SP-Nationalrätin und Gesundheitspolitikerin Bea Heim sekundiert: «Sollten die Erkenntnisse der Cochrane Collaboration tatsächlich zutreffen und das Medikament etwa, statt heilende Wirkung zu entfalten, gar zur Schwächung der eigenen Abwehrkräfte führen, könnte sich möglicherweise die Frage des Entzugs der Zulassungsbewilligung stellen.» (DerBund.ch/Newsnet)
Erstellt: 10.04.2014, 21:58 Uhr
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