Ein Altstar der Psychologen blickt Besuchern schon besorgt entgegen, noch ehe sie den Campus an der Grazer Straße betreten: „Freud-los in Bremen?“ fragt ein Plakat mit einem gemalten Sigmund Freud. „Wir sind extrem fassungslos“, kommentiert Johanna Kalvelage von der Fachschaft der Psychologiestudierenden die drohende Schließung des Studiengangs. Am Mittwoch hatte die Fachschaft zur Vollversammlung geladen. Insgesamt knapp 200 Studierende und Lehrende kamen.
Sie fordern den Erhalt ihres Fachs, dessen Existenzberechtigung die Uni nach dem Willen der Bildungsbehörde prüfen soll. Geprüft werden soll, „ob Psychologie als eigenständiges Fach aufzugeben sei“, heißt es im kürzlich von der Behörde vorgestellten Wissenschaftsplan 2020.
Ja, im Uni-Haushalt gibt es ein strukturelles Defizit, ja, irgendwo muss trotz der geplanten Aufstockung des Wissenschaftsetats gespart werden. Das sagt auch die Uni-Leitung. Doch nun könnte mit Psychologie ein Grundlagenfach eingestampft werden, ein Fach mit Zulassungsbeschränkung, für das nur die besten Schulabsolventen angenommen werden. Und noch dazu eines der beliebtesten Fächer: Jeder Sechste, der an der Bremer Uni studieren will, bewirbt sich für Psychologie. Rund 1000 Studierende sind eingeschrieben.
„Wir sind stolz darauf, bis auf das fehlende Fach Medizin eine Volluniversität zu sein“, sagte die Konrektorin für Lehre, Heidi Schelhowe. „Aber wenn ein so wichtiges Fach wie Psychologie geschlossen wird, können wir das kaum noch behaupten.“ Mit den gegebenen Mitteln könne die Uni das derzeitige Lehrangebot nicht aufrecht erhalten, sagt auch Schelhowe. Die Uni werde deshalb alle Fächer überprüfen und den Gesamthaushalt durchgehen. Doch Psychologie stehe für das Rektorat als Streichkandidat nicht oben auf der Liste.
Dass gerade Psychologie auf dem Prüfstein steht, begründet Bildungssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD), die sich am Mittwoch den Fragen der Studierenden stellte, vor allem damit, dass es kaum Verbindungen des Fachs zu den Wissenschaftsschwerpunkten der Uni gebe. Sie führt auch an, dass zwei Drittel der Psychologie-Professoren demnächst in den Ruhestand gehen. Bis 2020 laufen sechs Professuren aus, sagt Studiengangsdekanin Birgit Volmerg. Sie betont, dass sie dem Rektorat bereits ein Konzept für die Psychologie vorgelegt habe, das den Anschluss an die Wissenschaftsschwerpunkte stärken soll.
Die Behörde gehe beim Sparen „den einfachsten Weg“, kritisiert Johanna Kalvelage: „Man sagt: Wir können die Psychologie aufgrund der Altersstruktur der Professoren schließen, also machen wir es auch.“ „Man scheint sich beim Sparen durch die Schließung der Psychologie mit einem Schlag befreien zu wollen“, kommentiert eine wissenschaftliche Mitarbeiterin.
Deutliche Kritik gab es auch an der Personalausstattung im Fach Psychologie in den vergangenen Jahren: Jetzt werde das Fach auch deshalb zum Streichkandidaten, weil es überlastet sei. Doch diese Überlastung sei ein hausgemachtes Problem, weil man das Fach schon lange „kaputt gespart“ und zuletzt mehrere Professorenstellen nur noch befristet ausgeschrieben habe.
„Man fühlt sich veräppelt“, sagt ein 21-jähriger Psychologie-Student, der aus Südniedersachsen zum Studium nach Bremen gezogen ist. Er habe Zusagen von fünf weiteren Uni-Standorten gekommen und damals nicht gewusst, dass Psychologie in Bremen bedroht sei. Anzeichen davon seien schon jetzt zu spüren: Weil Lehrpersonal fehle, würden oft Veranstaltungen und sogar ganze Module ausfallen. Themen wie Entwicklungspsychologie, die früher als Veranstaltung über ein ganzes Semester angeboten worden seien, müssten nun als Blockseminar am Wochenende abgehandelt werden. „Die jetzige Situation ist systematisch erzeugt worden“, kritisiert Karl-Heinz Schrömgens, Präsident der Bremer Psychotherapeutenkammer. Sein Eindruck sei, dass Psychologie als Fach „sehr frühzeitig von Mitarbeitern der Bildungsbehörde aufgegeben“ worden sei. Zufällig sei ihm ein vorläufiger Entwurf des Wissenschaftsplans „in die Hände gefallen“, in dem nicht von einer Prüfung, sondern von einer Schließung die Rede war. „Das halte ich für einen Skandal“, sagt Schrömgens.
Die Studenten fragen sich: Ist die Schließung im Grunde bereits beschlossen – und die Prüfung nur noch ein formaler Akt? Die Senatorin verwies dazu aber auf den endgültigen, später veröffentlichten Wissenschaftsplan und betonte, man werde den Studiengang „ergebnisoffen“ prüfen.