Studien-Schock: Ist Alzheimer ansteckend?

Von Psychologie aktuell Autorin Judith Nixon.

Ganz gleich ob Anti-NMDA Rezeptorenzephalitis, PANS Syndrom oder Systemischer Lupus - die Liste der bisher unerkannten und unbekannten organischen Erkrankungen, die vermeintlich „seelische" Störungen auslösen wird von Monat zu Monat länger. Jetzt kommt ein weiterer, ungeheuerlicher Verdacht hinzu: Ist auch Alzheimer eine Art übertragbare Infektionskrankheit?

Eine Klarstellung von enormer Wichtigkeit!

Niemand muss sich fürchten, sich bei Verwandten mit Alzheimer oder anderen Demenzformen zu infizieren, auch wenn sich bewahrheiten sollte, was Forscher jetzt herausgefunden haben: Die Eiweiße, die im Hirn von Alzheimer-Patienten vorkommen, sind offenbar infektiös, also ansteckend.

Dass bestimmte Demenzformen übertragbar sind, ist beim Tier bereits gesichertes Wissen. Selbst winzige Mengen an krankhaften Proteinen können im Tierversuch eine Demenz auslösen, wenn sie direkt in das Gehirn eingebracht werden.

Eine frappierende Erkenntnis?

Bisher gilt als gesicherte Erkenntnis, dass mit dem Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit das Gehirn zerstört wird. Im Kopf der Patienten finden sich veränderte Amyloid-beta-Proteine, kurz "Abeta".

Verklumpen diese Eiweiße, verändern sie das Gehirngewebe als so genannte "Plaques". "Abeta" ist allerdings kein körperfremder Stoff, sondern kommt auch ganz natürlich im Körper vor. Bei Alzheimer-Patienten verändern sich jedoch diese Eiweiße, falten sich in eine falsche Struktur und begleiten das Unheil.

Ob sie jedoch die Ursache für der Alzheimer-Krankheit sind oder nur eine Folge davon, ist weiter unklar. Vieles spricht aber für eine "Schuld", weil auch andere Erkrankungen wie etwa "BSE" (Rinderwahnsinn) durch fehlerhafte Eiweiße ausgelöst werden.

Was bedeutet das?

Falls die "Abeta"-Eiweiße an der Verursachung von Alzheimer tatsächlich mitbeteiligt sind, dann könnte man sich auch mit ihnen infizieren. Das ist nun die neue Erkenntnis, welche die britische Hirnforscherin Zane Jaunmuktane und ihr Team im renommierten Journal Nature berichten: Von 1950 bis in die 1980er Jahre hinein verabreichten Mediziner kleinwüchsigen Jugendlichen, Hormonpräparate mit menschlichen Wachstumsstoffen.

Einige dieser Präparate waren mit Eiweiß- Erregern (Prionen) verseucht. Etwa 30.000 junge Menschen wurden weltweit damit behandelt, mindestens 226 von ihnen starben an der menschlichen Variante des "Rinderwahnsinns", der so genannten Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, der extremsten bisher bekannten Form von Demenz.

Die Forscher um Zane Jaunmuktane fanden bei ihren Untersuchungen in den Gehirnen von sechs dieser Patienten allerdings auch "Abeta", und zwar genau von der Art, wie es bei Alzheimer-Patienten vorkommt. Und dies, obwohl die Patienten in einem Stadium verstorben waren, in dem noch längst keine Demenzsymptome vorhanden waren.

Ruhe bewahren!

Selbst wenn diese neuen Erkenntnisse sich bewahrheiten sollten, gibt es keinen Grund zur Sorge. Insbesondere nicht, wenn man Menschen mit Alzheimer pflegt. Der Tübinger Hirnforscher Mathias Jucker sagte der ZEIT, dass zwar eine Übertragung der Abeta-Plaques möglich sei, doch noch fehle ein eindeutiger Beweis für den Infektionsweg.

Niemand muss also Alzheimer-Kranke meiden. Es gibt Millionen von Alzheimer-Patienten und noch mehr Menschen, die sie pflegen. Keiner hat sich bislang angesteckt. Selbst wenn Alzheimer ansteckend sein sollte, überträgt es sich also definitiv nicht wie eine Grippe.

Also alles kein Problem?

Dennoch wäre es ein Grund zur Sorge, wenn Alzheimer sich als Infektionskrankheit entpuppt. Auf die Hersteller von Arzneien, die aus menschlichen Produkten hergestellt werden, aber auch hinsichtlich der Sterilisationsregeln bei Hirnoperationen würde allerdings ein großes Problem zurollen.

Denn diese beiden Kontaktpunkte wären wohl die wahrscheinlichsten Quellen einer Ansteckung. Die Forscher haben also noch eine Menge Arbeit vor sich.

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