Wer eine Spitzenposition im Unternehmen besetzen will, ruft gerne einen Headhunter zur Hilfe. Doch, ob dieser wirklich genau hinschaut und die besten Kandidaten anwirbt, stellt Psychologe Uwe P. Kanning heute in seiner Kolumne infrage. Eine Studie nährt seine Zweifel.
Headhunting beschreibt die gezielte Abwerbung von Mitarbeitern aus einem anderen Unternehmen. Dabei sollte es sich ausschließlich um Personen handeln, die bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber zu den Leistungsträgern gehören. Oftmals haben die einstellenden Unternehmen jedoch selbst keine hinreichende Kenntnis über potenzielle Kandidaten. In diesem Fall beauftragten sie einen Dienstleister, der sich auf die Suche nach geeigneten Köpfen begibt. Doch kann die Arbeit des Headhunters die eigentliche Personalauswahl ersetzen? Wohl kaum.
Studienergebnisse zum Headhunting
Bislang gibt es nur sehr wenige Studien, die sich mit dem Thema Headhunting beschäftigen. Die umfangreichste Untersuchung stammt aus dem Jahr 2010 und analysiert die Daten von 2000 Headhunting-Fällen in den USA. Dabei ergeben sich bemerkenswerte Einblicke: So betrifft Headhunting vor allem die Spitzenpositionen eines Unternehmens, vom Vice President bis zum CEO. Dort, wo die wichtigsten Entscheidungen getroffen und leider auch die folgenschwersten Fehler begangen werden können, vertrauen die Verantwortlichen also auf die (Vor-)Auswahl durch gezielte Abwerbung.
Personalauswahl per Unternehmensname
Bei der Auswahl der Köpfe orientieren sich Headhunter an rein formalen Kriterien. Interessant ist, wer bislang in einem renommierten Unternehmen arbeitet und dort einen bestimmten, möglichst hohen Rang bekleidet. Über den tatsächlichen Leistungsoutput des Managers ist ebenso wenig bekannt wie über dessen Intelligenz, Fachkompetenz, Persönlichkeit oder soziale Kompetenz – allesamt Kriterien, die über die Eignung eines Kandidaten für eine bestimmte Stelle entscheiden. Was zählt, sind hier also nicht die Merkmale des Individuums, sondern allein der äußere Schein sowie der tiefe Glaube daran, dass renommierte Unternehmen in leitenden Funktionen durchweg nur sehr gute Leute beschäftigen.
Wechselbereitschaft der Manager ist hoch
Diejenigen, die letztlich auf das Werben des Headhunters eingehen, sind Menschen, die auch in der Vergangenheit besonders häufig ihre Stelle sowie ihren Arbeitgeber gewechselt haben, und zwar in signifikant stärkerem Maße als diejenigen, die ein Wechselangebot ausschlagen. Geradezu prädestiniert für das Headhunting sind offenkundig Manager, die sich beständig auf der Flucht befinden.
Die Wechselwahrscheinlichkeit eines Managers ist umso höher, je schlechter es um die wirtschaftliche Lage seines derzeitigen Arbeitgebers bestellt ist. Sicherlich handelt es sich hierbei ausschließlich um Spitzenkräfte, die bislang ihr Bestes gegeben haben, sich aber gegen den Mob der Unfähigen nicht durchsetzen konnten. Ihnen bietet man natürlich gern ein neues Betätigungsfeld zur Entfaltung der Persönlichkeit.
Headhunting ist Personalmarketing
Die Studie verdeutlicht, dass Headhunting keine Methode der Personalauswahl, sondern eine Personalmarketing-Maßnahme ist. Würde man sich nur auf die Auswahl durch den Headhunter verlassen, hätten insbesondere Blender eine sehr gute Chance schnell aufzusteigen, wobei der neue Arbeitgeber dann wiederum nur der Steigbügelhalter für den nächsten Stellenwechsel wäre.
Wer erst einmal in eine wichtige Position in einem Unternehmen mit Reputation gelangt ist und sich dort länger als ein bis zwei Jahre hält, erhöht seine Chance für den weiteren Aufstieg selbst dann, wenn er mit seinen bisherigen Aufgaben bereits überfordert ist. Je weiter die Person in den nächsten Jahren aufsteigt, desto größer wird zwar die Diskrepanz zwischen den Anforderungen der Stelle und den eigenen Fähigkeiten, die Wahrscheinlichkeit, dass dies entdeckt wird und entsprechende Konsequenzen nach sich zieht, wird jedoch zunehmend geringer. Ab einer bestimmten Position hat der Blender es dann geschafft und wird überhaupt nicht mehr kritisch hinterfragt.
Professionelle, interne Personalauswahl fehlt
Wer in seinem Unternehmen eine solche Aufwärtsspirale unterbrechen will, bräuchte bis in die Spitzenpositionen hinein anspruchsvolle Instrumente der Leistungsbeurteilung und Personalauswahl. Vereinzelt wird dies auch gegeben sein, der Regelfall in Deutschland sieht jedoch ganz anders aus.
Für all diejenigen, die Azubi-Bewerbern kritischer auf die Finger schauen als ihren künftigen Führungskräften, hier ein heißer Tipp: Vielleicht warten Sie noch drei Jahre, dann können Sie für vergleichbar geringes Geld möglicherweise sogar Thomas Middelhoff einkaufen. Er bringt alles mit, was nach den ungeschriebenen Gesetzten der Headhunting-Branche einen vielversprechenden Kandidaten auszeichnet: renommierte Arbeitgeber, Erfahrung in leitenden Positionen, wohlklingende Titel, Auszeichnungen und Posten – und noch dazu scheint er irgendwie immer ein klein wenig auf der Flucht zu sein vor denjenigen, mit denen er bislang zusammengearbeitet hat.
Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.
Haufe Online Redaktion