Sie forschen bereits seit gut 20 Jahren mit Psilocybin. Was macht den halluzinogenen Stoff aus Pilzen so interessant?
Psilocybin löst bei Gesunden dosisabhängig verschiedene Bewusstseinszustände aus. Geringe Dosen bewirken eine Stimmungsanhebung, moderate Dosen können zusätzlich Sinnestäuschungen und eine Lockerung der Ich-Umwelt-Abgrenzung auslösen, während es bei hohen bis sehr hohen Dosen zu einer tief greifenden Selbstauflösung kommen kann. Zu solchen Störungen im Selbsterleben kommt es auch bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen, zum Beispiel der Schizophrenie. Die Ursachen sind jedoch weitgehend unbekannt. Psilocybin ermöglicht als Modell die Aufdeckung der Gehirnmechanismen, welche solchen Symptomen zugrunde liegen.
Was haben Sie untersucht?
Da Psilocybin chemisch-strukturell eng mit unserem Botenstoff Serotonin im Gehirn verwandt ist, haben wir in unseren frühen Studien untersucht, an welche der circa 20 Serotonin-Rezeptoren im Gehirn Psilocybin andocken und dabei seine Symptome entfachen kann. Unter anderem dank dieser Erkenntnisse hat ein amerikanisches Pharmaunternehmen nun ein Medikament entwickelt, mit dem sich visuelle Störungen bei Parkinson-Patienten behandeln lassen. Es wird demnächst auf den Markt kommen. Ähnliche Forschungen von anderen Universitäten könnten künftig bei bestimmten Gedächtnisstörungen helfen.
Psilocybin soll auch ein gewisses Potenzial für die Behandlung von Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen haben.
Auch das sind potenzielle Anwendungen, da geringe bis moderate Psilocybin-Dosen die Stimmung anheben und Angstreaktionen abschwächen können. Man muss aber gut aufpassen, dass man den Unterschied macht zwischen niedrigen bis moderaten Dosen, welche die Emotionsregulation positiv beeinflussen, und hohen Dosen, die als Modell für psychotische Störungen verwendet werden. Ich sehe hier in Psilocybin aber nur eine Art Übergangslösung. Die Herausforderung wird sein, künftig eine Psilocybin-ähnliche Substanz zu entwickeln, die nur umschriebene Serotonin-Rezeptoren stimuliert und keine Sinnestäuschungen hervorruft.
Wie viele Forscher weltweit arbeiten wie Sie mit Psilocybin?
Am Menschen arbeiten circa zehn universitäre Forschungsgruppen. Weitere verwenden auch andere Modellsubstanzen, wie Ketamin, das ähnlich wirkt.
Warum führen sie nun die Untersuchung an Meditierenden im Zen-Zentrum Felsentor am Rigi durch, bei denen auch Psilocybin verabreicht wird?
Mit dieser Studie möchten wir nun die Prozesse im Gehirn besser verstehen, die unser «Selbst» ausmachen. Dieses «Selbst» oder «Ich» ermöglicht, dass wir uns von unserer Umwelt abzugrenzen und uns als Akteur unserer Handlungen wahrnehmen zu können. Bei Schizophrenien, Manien oder schweren Depressionen kann dieses «Selbst» geschwächt oder entgrenzt sein.
Wieso arbeiten Sie dabei mit buddhistischen Mönchen?
Während ihrer Meditationen trainieren Mönche ihre Aufmerksamkeit, was zu einer Zentrierung des «Selbst» führt. In unserem Versuch machen dies die Zen-Meditierenden fünf Tage lang und werden zuvor und danach mittels bildgebenden Verfahrens untersucht. Wir suchen nach plastischen Veränderungen im Gehirn, die das Training hervorruft. Fünf Mönche erhalten am letzten Tag des Trainings eine moderate Dosis Psilocybin und fünf ein Placebo. Bei dieser Menge wird die Selbst-Du-Grenze gelockert und die Zentrierung vermindert.
Was erwarten Sie von den Experimenten?
Unsere Hypothese ist, dass die Mönche wegen ihres Trainings die Psilocybin-Wirkung ganz anders angehen werden. Wahrscheinlich werden sie ihr «Selbst» viel besser stabilisieren können, quasi durch eine erhöhte Achtsamkeit des Geistes. Über diese erhöhte Achtsamkeit als mögliche gesundheitsförderndere Methode wird aktuell viel diskutiert, deren neuronalen Korrelate und deren Wirksamkeit sind noch kaum mittels Bildgebung untersucht worden.
Der Zürcher SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi kritisiert im «Blick» die Gabe von Drogen als leichtsinnig und absurd. Was tun Sie, wenn ein Proband einen Horrortrip hat?
Aufgrund unserer früheren Forschungen können wir die Wirkung von Psilocybin vollständig blockieren. Ein solcher angstvoller Verlauf würde sofort gestoppt. Aber aufgrund unserer Erfahrung können solche Zustände bei moderaten Dosen in einer kontrollierten Umgebung fast ausgeschlossen werden. Wir haben in den letzten 20 Jahren rund 300 Personen bei der gleichen moderaten Dosierung untersucht, ohne dass etwas passiert wäre.
Gibt es andere Risiken von Psilocybin, zum Beispiel Sucht?
Psilocybin macht nicht abhängig. Bei wiederholter Einnahme innerhalb kurzer Zeit, merkt man kaum noch etwas von seiner Wirkung. Auch in Bezug auf somatische Risiken besteht bei moderaten Dosen keine Gefahr. Trotzdem werden die fünf Versuchspersonen von einem Team von fünf Ärzten und zwei Psychologen vor Ort intensiv überwacht.
Wie haben Sie es selber mit Drogen?
Ich bin über die Schizophrenie-Forschung auf Psilocybin und ähnliche Substanzen gekommen, weil die sich eben als Modellsubstanzen eignen. Selber nehme ich keine Drogen.
Der Psychiater und Hirnforscher Franz X. Vollenweider leitet die Abteilung Neuropsychopharmakologie und Bildgebung des Gehirns an der Universität Zürich. (Tages-Anzeiger)
(Erstellt: 05.11.2014, 21:04 Uhr)