Mit Paul McGinley als Captain will Europa 2014 den Ryder Cup erneut verteidigen. Im Interview spricht der Ire über seinen großen Ryder-Cup-Moment als Spieler, Psychologie im Coaching, Bewunderung für Martin Kaymer, die Tiger-Sergio-Rivalität und Golf in Afrika.
Paul, Sie hatten Ihren großen Ryder-Cup-Moment 2002, als Sie höchstpersönlich den Putt zum Sieg lochten. Elf Jahre ist das jetzt her. Wie sind Ihre Erinnerungen?
Paul McGinley: Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke. Es war ein wundervoller Moment. Was viele vergessen: Der Ryder Cup fand damals ja ein Jahr später statt, weil er wegen dem 11. September gecancelt werden musste. Ich weiß noch, dass meine Form ein Jahr später dann nicht mehr so gut war wie zum Zeitpunkt der Qualifikation. Ich bin mit wenig Selbstvertrauen in den Ryder Cup gegangen. Wie es dann endete, war natürlich fantastisch für mich.
Der Druck beim Ryder Cup ist unvergleichbar, wie sind Sie damit umgegangen?
Ich hatte mit Sam Torrance einen sehr guten Captain, der mich sehr gut auf den Moment vorbereitete. Klar, ich war sehr nervös, als ich über dem Putt stand, aber ich habe mich auch extrem gefreut. Ich war mental gut drauf. Ich wusste nicht, ob er reingehen würde, aber ich wusste, dass ich einen guten Putt machen würde. Es ist unglaublich, wie viel Adrenalin man beim Ryder Cup in seinem Körper hat. Ich erinnere mich noch an meinen ersten Tee Shot. Ich habe ein Holz 5 genommen, damit ich vor dem Bunker bleibe. Und was ist passiert? Ich habe das Holz 5 278 Yards geschlagen, über den Bunker hinweg. Das zeigt, was beim Ryder Cup mit einem passiert.
Ihre Ryder-Cup-Bilanz als Spieler und Vice Captain ist perfekt. 5-0. War die Ernennung zum Kapitän der stolzeste Tag in Ihrer Karriere?
Das kann man schon so sagen. Egal in welchem Business, wenn dich deine Kollegen in eine Position wählen, ist das immer etwas sehr Besonderes. Es ist eine große Ehre, wenn deine Kollegen eine so hohe Meinung von Dir haben, dass sie wollen, dass du sie repräsentierst. Das macht einen natürlich stolz.
Sie haben vorhin schon Sam Torrance angesprochen, Sie haben insgesamt sehr viele große Captains erlebt, unter anderem auch Bernhard Langer. Was haben Sie von den verschiedenen Typen gelernt?
Ich hatte das große Glück, eine Art "Who is Who" an Captains hautnah zu erleben. Von Bernhard Langer, der uns in Amerika zu einem Rekordsieg führte, habe ich viel gelernt. Er war ein ganz anderer Kapitän als Torrance zum Beispiel, aber er war exzellent auf seine Art. Ian Woosnam, Colin Montgomerie, Severiano Ballesteros, Jose Maria Olazabal - ich hatte tolle Lehrmeister.
Was ist Ihre Lieblingsgeschichte über Bernhard Langer?
Meine liebste kann ich Ihnen leider nicht verraten, weil ich sie im nächsten Jahr gegen die USA verwenden will, sorry. (lacht) Es gab hinter den Kulissen so einige Geschichten mit Bernhard, nach dem Ryder Cup können wir gerne darüber sprechen. Aber nicht jetzt, ich will einiges von Bernhard in meinen Plan integrieren und umsetzen. Was ich sagen kann ist, dass er unglaublich organisiert und strukturiert war. Als Spieler hattest du unter Bernhard das totale Vertrauen, dass er gute Entscheidungen für das Team trifft und dass er niemandem im Team im Stich lässt. Das Vertrauen in Bernhard war riesengroß.
Sie gelten generell als jemand, der sich sehr für die Psychologie in Sachen Coaching interessiert und auch Trainer aus anderen Sportarten beobachtet. Wie sieht das genau aus?
Ich liebe vor allem Fußball! Wie jeder war ich in diesem Jahr auch vom deutschen Fußball und wie er Europa dominiert hat, sehr fasziniert. Ich habe mich schon immer sehr für Coaching und Management und die Psychologie, die dahinter steht, interessiert. Während meiner ganzen Karriere habe ich mir da einiges abgeschaut. Ich habe Sir Alex Ferguson zugehört und auch Jupp Heynckes und Jürgen Klopp studiert. Was ihre Körpersprache angeht, was ihre Entscheidungen betrifft während eines Spiels. Wenn wir Bayern München nehmen als Beispiel: Bayern ist so gut gecoached, die Spieler werden so gut motiviert. Es war sehr interessant zu beobachten, wie sie das Champions-League-Finale bestritten haben, nachdem sie ein Jahr zuvor im eigenen Stadion so eine Enttäuschung erlebt hatten.
Das Captain-Duell heißt 2014: Paul McGinley vs. Tom Watson. Dass es ausgerechnet gegen Watson geht, muss für Sie auch sehr speziell sein, oder?
Das macht die ganze Sache noch spezieller, keine Frage. Tom Watson war immer mein Held, ich habe ihn bewundert. Er wird ein großartiger Kapitän für die Amerikaner sein. Er ist sehr organisiert, er wird von allen Spielern auch extrem respektiert. Ich mache mir keine Illusionen, es wird sehr schwierig, den Ryder Cup wieder zu gewinnen. Die Leute vergessen, dass wir die letzten Ryder Cups nur ganz knapp gewonnen haben. Und in Medinah war es ja ohnehin eine irre Geschichte. Es war, als ob eine Fußball-Mannschaft zur Halbzeit 0:4 zurückliegt und das Spiel noch dreht. Es war unglaublich.
Es gibt Spieler wie Colin Montgomerie oder Ian Poulter, die vielleicht niemals ein Major gewinnen werden, die aber die absolut besten Ryder-Cup-Spieler sind bzw. waren. Sie waren im Ryder Cup auch immer besonders stark. Was macht den Ryder Cup für Sie persönlich aus?
Ich bin einfach immer sehr stolz, wenn ich Europa repräsentieren darf. Im nächsten Jahr ist der Beginn des Ersten Weltkriegs 100 Jahre her. Europa hat sich so sehr entwickelt, wir sind eine Familie geworden, das ist eine wunderbare Geschichte. Außerdem habe ich es immer genossen, Teil einer Mannschaft zu sein. Gerade beim Fußball habe ich das geliebt. Ein Psychologe kann das bestimmt besser erklären, aber im Unterbewusstsein wird irgendwie ein Schalter umgelegt, wenn es fürs Team geht. Spieler wie Poulter hebt es auf ein ganz neues Level.
Eine Neuerung wird es geben. Sie werden als Captain drei statt bisher zwei Wildcards zur Verfügung haben. Was sind Ihre Gedanken dabei?
Ich bin mir sehr bewusst darüber, dass wir in Gleneagles ganz andere Herausforderungen haben werden als noch in Medinah. Wir könnten schlechtes Wetter bekommen, wir spielen zu Hause, die Bedingungen werden softer sein - all das spielt eine Rolle. Ein Fußball-Trainer stellt seine Elf unter Umständen auch anders auf, wenn es kein Auswärts- sondern ein Heimspiel ist. Einfach aus taktischen Gründen. Ich wollte mit der Erhöhung der Wildcards sicherstellen, dass ich so viel Spielraum wie möglich habe. Falls einige Spieler sich nicht qualifizieren sollten, die ich aber unbedingt im Team haben möchte, kann ich so besser reagieren.
Der Job als Ryder-Cup-Captain wird von allen Captains als extrem zeitintensiv beschrieben. Geht das jetzt schon los?
Der Ryder Cup ist schon jetzt immer in meinem Kopf, jeden Tag. Es ist eine sehr stressige Zeit, es gibt unglaublich viel zu tun, aber es ist auch aufregend und macht Spaß. Ich hatte zum Beispiel jetzt schon vier oder fünf Meetings mit der Firma, die unsere Bekleidung macht. Ich hatte Meetings mit der Firma, die unsere Bags herstellt. Ich war mehrmals in Gleneagles, um den Team Room für Europe und die Schlafzimmer auszusuchen. Es sind wirklich viele Dinge, an die du denken musst.
Martin Kaymer lochte im vergangenen Jahr den Putt zum Sieg. Nachdem er die Nummer eins der Welt wurde, hat er jetzt auch einige Tiefen gehabt. Gehen Sie davon aus, dass er im nächsten Jahr wieder in Ihrem Team stehen wird?
Ich erwarte, dass Martin im Team sein wird. Ich will Martin im Team haben. Marcel Siem ist auch ein guter Spieler, der eine gute Form gezeigt hat und ein Kandidat ist. Generell ist die deutsche Mentalität eine sehr gute Mentalität für einen Team-Wettbewerb wie den Ryder Cup. Es ist eine starke Mentalität, deshalb sind deutsche Spieler im Team sehr willkommen.
Es gibt eigentlich sogar Parallelen zwischen Ihnen und Martin Kaymer.
Das stimmt. Bei Martin war die Situation im letzten Jahr ähnlich wie bei mir 2002. Ich kam mit keiner guten Form zum Ryder Cup, habe wie Martin mein erstes Match verloren, mich dann aber in der Woche steigern können. Was ich an Martin am meisten bewundert habe, war seine Ehrlichkeit. Normalerweise haben Topstars so ein Ego, dass sie keine Schwäche zugeben und sagen, dass alles passt. Aber Martin war anders. Er hat gesagt: "Ich bin nervös. Ich bin angespannt. Es läuft nicht so. Wie kann ich dem Team helfen?" Es war toll, dass er dann den entscheidenden Putt gelocht hat. Er hat sein Ego an der Tür gelassen und eine unglaubliche Ehrlichkeit gezeigt. Ich habe enormen Respekt vor Martin. Nicht nur, weil er den Putt gelocht hat. Sondern vor allem, wie er sich in den Tagen verhalten hat.
Mit Marcel Siem haben Sie in Wentworth in dieser Saison auch mal eine Runde zusammen gespielt. Hat er Sie auf den Ryder Cup angesprochen?
Natürlich. Jeder spricht mich auf den Ryder Cup an. (lacht) Meine Einstellung ist ganz simpel, das habe ich auch Marcel gesagt. Natürlich würde ich ihn gerne im Team sehen, aber das gilt für viele Spieler. Ich will die Jungs auch nicht zu sehr unter Druck setzen. Ich kann ihnen allen nur viel Glück wünschen. Ich freue mich auf jeden, der es ins Team schafft.
Nach den Ereignissen in diesem Jahr wäre ein Match zwischen Tiger Woods und Sergio Garcia besonders spektakulär. Dass sich Woods und Garcia nicht ausstehen können, weiß spätestens seit dieser Saison jeder. Was halten Sie von der Geschichte?
Es scheint so, dass sie sich nicht sehr mögen. Aber ich habe kein Problem damit. Mit manchen Menschen kommt man besser aus, mit manchen weniger - das gibt es überall. Ich denke nicht, dass es ein Problem wäre, wenn es zu einem Match kommen sollte. Für mich ist es keine große Sache.
Neben Ihrer aktiven Karriere und der großen Aufgabe als Ryder-Cup-Captain sind Sie auch damit beschäftigt, Golfplätze zu redesignen - und zwar auch in Afrika! Wie kommt es denn dazu?
Es gibt in afrikanischen Ländern teilweise eine große Golftradition. Über die Jahre sind die Plätze nur in einen sehr schlechten Zustand gekommen, weil die Leute in der Platzpflege nicht ausgebildet sind. Wir arbeiten im Moment an einem Projekt in Ghana, danach stehen Kenia und Uganda auf der Agenda. Ghana war übrigens im letzten Jahr die Wirtschaft, die am zweitschnellsten gewachsen ist, die politische Lage ist sehr stabil. Wir wollen den Golfsport in diesen Regionen wiederbeleben und ihn ans Volk bringen. Jeder soll es spielen können. Es ist eine spannende Geschichte und es läuft gut.