Rückblick auf das New Generations – Independent Indian Film Festival

Kultur

Rückblick auf das New Generations – Independent Indian Film Festival

Foto: Bombay Diaries

11.11.2011

(Teil 3) Die beiden letzten Filme des New Generations – Independent Indian Film Festivals in Frankfurt/Main stehen dem Vierteiler „I Am“ von Onir an subtiler Psychologie und sensibler Regie- und Schauspielarbeit in nichts nach.  Wie in besten deutschen Autorenfilmen werden hier menschliche Gefühle, Zusammenhänge und Verstrickungen kunstvoll und doch ganz selbstverständlich entwickelt und dem Zuschauer das Gefühl gegeben, ein Stück aus dem Leben dieser Protagonisten mitzuerleben.

„The Way Home“ des Regisseurs Dr. Biju Kumar handelt von der schicksalhaften Begegnung eines Arztes mit einer im Sterben liegenden Selbstmordattentäterin der Terroristengruppe „Indian Jihadi“. Er kann die Frau nicht mehr retten, doch kurz vor ihrem Tod bittet sie ihn, ihren Sohn zu seinem Vater Abdul Zuban Tariq, dem Kopf der Terrorvereinigung, zu bringen. Jener Tariq ist jedoch verantwortlich für den Tod der Familie des Arztes. Nachdem er sich anfangs gegen das Ansinnen der Sterbenden sträubt, fährt er schließlich doch nach Kerala, um den Jungen dort aus seinem Versteck in einem kleinen Dorf zu holen und gemeinsam mit ihm seinen Vater zu suchen.

Ohne die Hilfe des Terrornetzwerks hätte er keine Chance, den Terroristenchef zu finden. So führt die Reise der beiden auf höchst mysteriösen Pfaden, unterbrochen von unerwarteten Ereignissen, durch mehrere indische Bundesstaaten schließlich ins Himalaya-Gebirge. Dort finden sie den Vater zwar, kommen aber zu spät, denn er wird kurz vor ihrer Ankunft in einem Gefecht tödlich verwundet.

Je länger die Reise dauert, desto tiefer verstrickt sich der Arzt im Netzwerk des Terrors und umso stärker holt ihn die Vergangenheit – der Verlust von Frau und Kind durch ein Bombenattentat – ein. Aber umso tiefer wird auch seine Beziehung zu dem kleinen Jungen. Obwohl die beiden kaum miteinander reden, spürt man als Zuschauer doch, wie die Verbundenheit zwischen dem Kind und seinem Beschützer wächst. Am Ende – der Junge ist nun Vollwaise – spielen sie auf einem Hochplateau im Himalaya gemeinsam Fußball. Was danach kommt? – Wer weiß ... Der Film zeigt nicht nur ganz nebenbei die vielfältigen Landschaften Indiens in schönen Bildern – Kerala, Rajasthan, Ladakh –, er hat auch etwas seltsam Versöhnliches angesichts des knallharten Themas. Denn trotz einiger Action-Szenen mit Explosionen, Schießereien und Blut ist es eigentlich ein ruhiger Film, bei dem am Ende etwas Schönes zwischen dem Arzt und dem Kind entstanden ist und die Hoffnung überwiegt.

Ein bisschen erinnerte mich „Bombay Diaries“ an Robert Altmans „Short Cuts“. Und doch war der Film ganz anders, indisch eben. Das Regiedebüt von Kiran Rao, der Frau des indischen Schauspiel- und Produzentenstars Aamir Khan, handelt von einer Stadt, vier Menschen und vielen Geschichten. Shai, die junge amerikanische Hobby-Fotografin, will die Heimat ihrer Eltern mit der Kamera erkunden, trifft auf den unnahbaren Künstler Arun – gespielt von Aamir Khan –  und verbringt eine Nacht mit ihm. Arun, der ein Künstlerdasein im Elfenbeinturm vorzieht, distanziert sich am nächsten Tag von ihr, sodass Shai sich etwas gegen ihren Willen ganz ihrer Fotografierleidenschaft widmen kann. Entgegen aller Konventionen freundet sie sich mit dem Wäscher Munna an, der sie in Gegenden dieser pulsierenden, modernen Metropole führt, die Leute ihres Standes sonst nicht zu Gesicht bekommen. Was Shai zunächst nicht weiß: Munna wäscht auch für Arun. Der wiederum verliert sich mittlerweile in einem Videotagebuch seiner Vormieterin, der naiven, aber sehr sympathischen Hausfrau Yasemin, dass er in einer versteckten Schublade im Schrank gefunden hat. Munna verliebt sich in Shai, Shai ist in Arun verliebt, Arun kommt beim Betrachten der Filme Yasemin immer näher ... Das Ende des Films ist überraschend, bleibt aber offen.

So eine Geschichte zu verfilmen, kann auch schiefgehen und in billiges Eskapadenkino ausarten. Kiran Rao ist es jedoch gelungen, einen kommerziellen, aber durchaus sehr künstlerischen Film zu drehen. Herausgekommen ist eine faszinierende Mischung aus internationalem Erzählkino und indischer Wirklichkeit, ein spannender Film mit großartigen Schauspielern und eine Liebeserklärung an Bombay – obwohl oder gerade weil nicht nur die schönen Seiten dieser Stadt zu sehen sind.

Immer noch zeigen unsere deutschen Kinos viel zu selten die Perlen der indischen Filmindustrie. Immer noch wünschen wir uns mehr solche Festivals wie das New Generations von Indian Vibes. Die ausverkauften Filmvorführungen und die leider vielen Interessierten, die keine Karte mehr ergattern konnten, zeigen doch, dass die Nachfrage da ist. Wir freuen uns jedenfalls schon auf das Frankfurter Festival im nächsten Jahr! tk

 

Hier geht es zu Teil 1 des Rückblicks:
http://www.indienaktuell.de/magazin/rueckblick-auf-das-new-generations-independent-indian-film-festival-20229/

Und hier geht es zu Teil 2 des Rückblicks:
http://www.indienaktuell.de/magazin/rueckblick-new-generations-independent-indian-film-festival-teil-2-20364/

 

 


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