/ratgeber/familie/berichte/Familie-Eltern-Kinder-Maenner-Psychologie-Ratgeber-Reiben-rangeln-rivalisieren-Vaeter-sind-als-Vorbild-wichtig;art336,981674,B?bn=939129
Im Kindergarten hat meist eine Frau das Sagen. Weiter geht es in der Grundschule, in der Kinder nur selten einen Klassenlehrer an der Tafel stehen haben. Umso wichtiger ist die männliche Bezugsperson zu Hause. Väter sind für Söhne und Töchter gleichermaßen unentbehrlich. Aber für den Sohn ist der Vater das erste männliche Vorbild. Diese Funktion wird nicht erst in der Pubertät wichtig.
Früher kam der Vater erst dann ins Spiel, wenn seine Kinder aus dem Gröbsten raus waren. Es lag ja auch nahe: «Gerade in der ersten Lebensphase scheint das Kind eher mit der Mutter verbunden zu sein», erläutert Reinhard Winter, Pädagoge und Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts in Tübingen. «Ziehen sich Väter dann zurück, treten sie in eine Falle.»
Das kann weitreichende Folgen haben: In den ersten Lebensjahren entwickeln Kinder das, was Psychologen Bindung nenne - eine enge und auf intensive Gefühle basierende Beziehung. «Das lässt sich später nicht nachholen», erklärt Holger Simonszent, Psychologe in Gauting.
Eine solche Bindung kann ein Säugling zu Mutter und Vater entwickeln - vorausgesetzt, beide sind in dieser Lebensphase sehr präsent. Für berufstätige Väter jedoch ist das oft mit praktischen Hindernissen verbunden: Die ersten Lebensmonate und -jahre des Kindes fallen häufig mit einer Zeit zusammen, in der der Vater beruflich stark belastet ist. Pausiert die Mutter einige Zeit in ihrem Job, ist der Druck noch höher. Da bleibt nicht viel Zeit für den Sohn. Wichtiger als die Häufigkeit sei aber die Qualität, sagt Simonszent. «Auch in kurzer Zeit lässt sich sehr viel Positives bewirken.»
Haben Väter in der Säuglingsphase ihres Kinder viel versäumt, können sie auch später noch eine funktionierende Beziehung aufbauen. «Eine gute Basis dafür sind feste Rituale, gemeinsame Wochenenden auch mal ohne Mama oder gemeinsame Hobbys», rät Hans-Georg Nelles, Vorsitzender des Väter-Experten-Netzwerks in Düsseldorf (VEND).
Viele Dinge lernen Kinder sowohl von Mutter als auch von Vater. «Es gibt jedoch durchaus Bereiche, die Väter besonders gut übernehmen können», sagt Winter. «Forschungsergebnisse zeigen, dass sich Kinder innerhalb der ersten drei Jahre in ihrer Sprachentwicklung stärker am Vater als an der Mutter orientieren: Sie imitieren seinen Satzbau und übernehmen seinen Wortschatz», ergänzt Simonszent.
Voraussetzung für das Engagement des Vaters ist, dass ihm die Mutter dafür genug Entfaltungsspielraum gibt und sich immer wieder zurücknimmt. «Im Säuglingsalter ist wichtig, dass sie ihm zutraut, die Fürsorge für das Kind zu übernehmen», sagt Simonszent. «Und sie muss akzeptieren, dass ein Vater die Beziehung zu seinem Kind anders gestaltet als eine Mutter.»
Als Bezugsperson ist der Vater für Tochter und Sohn gleichermaßen unverzichtbar. Nur: Alle gemeinsamen Aktivitäten von Vater und Sohn helfen dem Kind, eine männliche Identität zu entwickeln. Hier hat der Vater also eine zusätzliche Funktion. Der Vater sei immer ein Vorbild für den Sohn, an dem er sich reiben und von dem er gleichzeitig lernen kann, sagt Nelles. Beim Rangeln mit dem Vater erfährt der Sohn die eigene Kraft. Mit ihm streitet, rivalisiert und konkurriert er.
Dieses Lernen vom männlichen Vorbild fällt besonders leicht, wenn es eine enge Bezugsperson ist. «Wenn eine solche fehlt, suchen Jungen nach Ersatzmodellen, zum Beispiel in Videos oder Computerspielen. Das kann gefährlich werden.»