Von
Sebastian Herrmann
Konservative Menschen sind meist glücklicher als Progressive - das zeigen entsprechende Erhebungen regelmäßig. Warum aber steht man rechts eher auf der Sonnenseite des Lebens als links? Wissenschaftler aus Australien und Großbritannien bieten dafür nun eine Erklärung an.
Konservative Menschen stehen auf der Sonnenseite des Lebens. Das lässt sich aus zahlreichen Studien schließen, in denen Wissenschaftler nach einem Zusammenhang zwischen der politischen Einstellung und der Lebenszufriedenheit fahnden.
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In solchen Erhebungen zeigt sich regelmäßig, dass konservative Bürger glücklicher durch den Alltag gehen als Menschen mit progressiver politischer Einstellung. So veröffentlichte das amerikanische Pew Research Center im Jahr 2006 Zahlen, wonach sich 47 Prozent der konservativen Anhänger der Republikaner als "sehr glücklich" bezeichneten.
Unter den links-liberalen Anhängern der Demokraten empfanden nur 28 Prozent der Befragten das gleiche Glück. Nicht in allen Befragungen ergibt sich ein ebenso deutliches Bild, aber selbst ein geringer Unterschied weckt das Interesse von Wissenschaftlern.
Psychologen um Jolanda Jetten von der australischen Universität Queensland und Alexander Haslam von der britischen Universität Exeter liefern nun eine Erklärung für das Ungleichgewicht der emotionalen Befindlichkeiten links und rechts der politischen Mitte (Social Psychological and Personality Science, online).
Laut ihren Daten haben Konservative im Schnitt einen höheren sozio-ökonomischen Status und dadurch einen leichteren Zugang zu sozialen Gruppen wie Klubs, Vereinen oder anderen Vereinigungen. Das wiederum - so die etwas komplizierte Indizienkette - sorge für die höhere Zufriedenheit.
Für ihre Studie befragten die Psychologen 816 britische Studenten, die ausführlich Auskunft zu Lebensumständen und Zufriedenheit gaben. "Dabei haben wir festgestellt, dass konservative politische Ansichten mit einer leicht erhöhten Lebenszufriedenheit zusammenhängen", sagt Jetten. Je konservativer ein Proband sich selbst einschätzte, desto glücklicher war er im Schnitt. Als wichtigsten Faktor identifizierten die Psychologen dabei jedoch die Mitgliedschaft in sozialen Gruppen, deren Zahl mit dem sozio-ökonomischen Status stieg.
Der Zusammenhang von Gruppenzugehörigkeit und Zufriedenheit ist in der Forschung gut belegt. Zahlreiche psychologische Studien haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sich die Mitgliedschaft in sozialen Vereinigungen positiv auf den einzelnen Menschen auswirkt: Wer Zugang zu Klubs, Vereinen oder anderen Gesellschaften hat, in denen er ein Netz von Freundschaften und Kontakten knüpfen kann, ist demnach glücklicher und verkraftet auch heftige persönliche Rückschläge besser.
2009 zeigten Jetten und Haslam in einer Studie, an der ebenfalls britische Studenten teilgenommen hatten, dass die Zahl der Mitgliedschaften in Gruppen in besser gestellten sozialen Klassen im Schnitt höher liegt - was sich nun in der neuen Untersuchung bestätigte. Die Indizienkette der Psychologen hat also scheinbar ein stabiles akademisches Fundament.
Mit ihrer aktuellen Untersuchung widersprechen Jetten und Haslam ausdrücklich einem Erklärungsansatz, mit dem Psychologen vor knapp vier Jahren den Zusammenhang von Konservativismus und Zufriedenheit begründeten. Jaime Napier und John Jost von der New York University argumentierten im Fachblatt Psychological Science in eine gänzlich andere Richtung (Bd. 19, S. 565, 2008).
Es sei Bestandteil konservativer Ideologien, die jeweils bestehenden Verhältnisse zu legitimieren. Diese politische Einstellung habe daher eine "palliative Funktion", wie die Psychologen sperrig formulieren, also eine rechtfertigende Komponente. Diese bewahre den Gefühlshaushalt konservativer Menschen davor, die Widrigkeiten eines Lebens in einer Welt voller Ungleichheit an sich heranzulassen, indem sie den eigenen Status legitimiert.
Salopp ausgedrückt argumentieren die Psychologen: Konservative sind glücklich, weil das Schlechte ausgeblendet wird und alles bleiben darf, wie es ist; Progressive leiden hingegen am Status quo, da sie sich angesichts der allgegenwärtigen Ungerechtigkeiten machtlos fühlen.
Jetten kritisiert, dass die Forscher der New York University keine sozio-demographischen Faktoren berücksichtigt haben. Zudem brauchten Konservative die postulierte Selbstrechtfertigung ihres Status gar nicht: "Die Feststellung, dass die Welt ungleich und ungerecht ist, entspricht einer konservativen Vorstellung von dem, was gerecht und fair ist", sagen sie. Einen emotionalen Puffer benötigten höchstens Progressive.
Vielleicht taugt der folgende Befund als Trostpflaster für unglückliche Menschen, deren politische Haltung links der Mitte liegt: Laut Studien haben sie im Schnitt einen minimal höheren Intelligenzquotienten als Konservative.
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(SZ vom 13.03.2012/mcs)
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