Denn Forscher haben Langeweile nicht nur mit Depression, Alkohol- und Drogenmissbrauch in Zusammenhang gebracht, auch bei Chirurgen oder Lastwagenfahrern kann sie zu lebensgefährlichen Fehlern führen. Zudem verkürzt Langeweile womöglich unsere Lebenserwartung. Im Jahr 2010 analysierten Forscher vom University College London Fragebögen von mehr als 7500 Beamten im Alter zwischen 35 bis 55 Jahren aus den späten 80ern. Diejenigen, die sich zu einem hohen Maß an Langeweile bekannten, starben eher als jene, denen die Zeit selten lang wurde. Da erscheint die Redewendung „sich zu Tode langweilen“ in neuem Licht.
Gemeinsam mit kanadischen Kollegen hat Eastwood jetzt mehr als 100 Fachartikel zu dem Thema ausgewertet – und durchaus erhellende Erkenntnisse gewonnen. Während viele Menschen glauben, das Problem der Fadheit seien nur eine öde Umwelt und eintönige Beschäftigungen, liegt ihr Ursprung offenbar in uns selbst. Genauer: Aufmerksamkeit ist der Dreh- und Angelpunkt allen Langeweilens. Wenn wir nicht in der Lage sind, uns geistig zufriedenstellend zu beschäftigen, obwohl wir es gerne würden, entstehe Langeweile – das zumindest kristallisierte sich in Eastwoods Analyse heraus.
Experimente scheinen das zu bestätigen. So untersuchte die Psychologin Cynthia Fisher von der australischen Bond-Universität, wie Menschen auf Gespräche im Hintergrund reagieren, wenn sie eine geistige Aufgabe zu erledigen hatten. Mussten sie ein interessantes Managementproblem lösen, konnten sie die Unterhaltungen einfach ausblenden. Als jedoch dröges Korrekturlesen anstand, das nichtsdestotrotz ihre psychische Präsenz verlangte, fühlten sich die Probanden von dem Geplapper in Versuchung geführt, ohne ihm nachgeben zu können. Prompt erklärten sie sich mehrheitlich für gelangweilt.
Manche Beschäftigung nimmt uns freilich so wenig in Anspruch, dass zwar Langeweile droht, sie sich aber leicht bekämpfen lässt. Das erklärt, warum Menschen beim Kochen oder im Auto gerne Radio hören. Und vielleicht auch, warum mancher Student während einer mäßig spannenden Vorlesung einen Kringel nach dem anderen auf seinen Notizblock malt – und dennoch in der Lage bleibt, dem Vortrag leidlich zu folgen.
„Wir wissen recht genau, wie Aufmerksamkeit funktioniert. Aus dieser Sicht lassen sich Situationen, die zur Langeweile führen, in Zukunft genauer erfassen“, sagt der Spezialist für Tagträume, Jonathan Smallwood vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Und Psychologen sind bereits dabei. So haben Forscher von der Uni Freiburg und der kanadischen Waterloo-Universität in zwei Studien eine klare Verbindung zwischen der Aufmerksamkeitsdefizitstörung ADHS und der Neigung zur Langeweile gefunden.