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Viele Studien liefern tiefe oder vergnügliche Einsichten in die menschliche Psyche. Aber oft ist Skepsis angebracht: Von hundert überprüften Untersuchungen konnten Forscher die Mehrheit nicht bestätigen. Limonade macht wohl doch nicht weise.
Die Resultate vieler Untersuchungen in der Psychologie sind womöglich unzuverlässig. Ein Team von 270 internationalen Forschern hat 100 Experimente zu Sinneseindrücken, Vorlieben und Entscheidungen ein zweites Mal durchgeführt und bei weniger als der Hälfte das Ergebnis bestätigt. Für ihre Untersuchungen wählte die Gruppe Publikationen aus, die im Jahr 2008 in drei Fachmagazinen erschienen waren. Nur bei 39 Prozent der Artikel konnten die ursprünglichen Ergebnisse eindeutig nachvollzogen werden, und dann waren im zweiten Anlauf die beobachteten Effekte im Mittel nur halb so groß wie in der ersten Veröffentlichung (Science, online). Die Untersuchungen, bei denen die Überprüfung trotz gleicher Methodik ein anderes Ergebnis geliefert hat, sind deswegen nicht falsch. Aber wenn eine Reproduktion gescheitert ist, entstehen Zweifel an den Resultaten. Tendenziell ließen sich die Studien schlechter bestätigen, die nur knapp die Hürde zur statistischen Signifikanz genommen hatten. Die groß angelegte Untersuchung war von der Open Science Collaboration organisiert worden. In vielen Fällen haben die Autoren der Originalaufsätze die Prüfer unterstützt.
Händewaschen schwächt wohl doch nicht das Urteilsvermögen, und Limo macht nicht weise
So fand sich zum Beispiel der Psychologe E.J. Masicampo von der amerikanischen Wake Forest Universität auf beiden Seiten wieder: Er hatte 2008 geschrieben, nach dem Genuss gesüßter Limonaden könnten Probanden besser begründete Entscheidungen treffen. Das wurde von seinen Kollegen nicht bestätigt. Wahrscheinlich seien seine Versuchspersonen damals nicht repräsentativ gewesen, sagt Masicampo jetzt. Er hatte das Projekt unterstützt und selber eine andere Studie geprüft. Es ging um Computerspiele, die auf Konfrontation ausgelegt waren. Masicampo konnte die Aussage von Forschern am Boston College bestätigen, dass die Probanden sich dabei nicht nur amüsieren wollen, sondern Ärger gern in Kauf nehmen.
Nicht bestätigt wurden zwei Studien, über die auch die Süddeutsche Zeitung 2008 online berichtet hatte. Damals hatten Psychologen erklärt, Menschen fällten nach dem Händewaschen mildere moralische Urteile als vorher. Zudem hieß es, Studenten in den USA könnten an den Gesichtern der Chefs großer Unternehmen erkennen, wie profitabel die Firma ist. In beiden Fällen senkten die Prüfer den Daumen.
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Für viele Experten ist der ernüchternde Befund keine Überraschung. In vergangenen Jahren ist immer wieder festgestellt worden, dass publizierte Ergebnisse falsch sind oder sich zumindest nicht bestätigen lassen. "Das hat ganz einfache Gründe, die uns lange Zeit nicht klar genug waren", sagt der Psychologe Joachim Funke von der Universität Heidelberg. So würden Studien häufig mit zu wenigen Probanden durchgeführt. Oft publizierten Forscher auch spektakuläre Ergebnisse, während langweiligere - aber vielleicht zuverlässigere - in der Schublade verschwinden.
Auch in der Medizin seien viele Studien ihr Geld nicht wert, hatte schon vor zehn Jahren der Mediziner John Ioannidis gezeigt. In beiden Disziplinen werden Ergebnisse von Studien als gesichert akzeptiert, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Aussage rein zufällig entstanden ist, unter fünf Prozent gefallen ist. Daher findet Funke das Projekt der Open Science Collaboration großartig, das darauf setzt, dass zukünftig immer häufiger Ergebnisse von Kollegen nochmals getestet werden. Dazu müssen jedoch die Anreize in der Wissenschaft geändert werden. Bisher machen Forscher Karriere, wenn sie möglichst viel veröffentlichen. Stattdessen sollten sie zusammenarbeiten und in großen Studien die Spreu vom Weizen trennen, sagt Funke.
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