Psychologie: Mädchen haben nicht mehr Angst vor Mathematik als Jungen

Schülerinnen seien im Fach Mathematik ängstlicher und gehemmter als ihre Mitschüler - so der gängige Tenor in der Fachliteratur. Dies, obwohl sich ihre Leistungen in diesem Fach nicht von denen der Jungen unterschieden, schreibt die Universität Konstanz in einer Mitteilung.

Bisherige Studien hätten indes nicht untersucht, ob die Mädchen in echten Mathematik-Prüfungen oder im Unterricht auch wirklich ängstlicher seien, bemängelt das Team um Thomas Götz und Madeleine Bieg von der Universität Konstanz und der Pädagogischen Hochschule Thurgau (PHTG). Sie hätten lediglich nach generellen Einschätzungen gefragt.

Also holten die Forschenden und Kollegen aus München, Berlin und Kanada dies mit gut 700 Schülerinnen und Schülern der Klassenstufe 5 bis 11 nach. Im ersten Teil füllten die Jugendlichen einen Fragebogen zur Angst vor Mathematikprüfungen aus und beantworteten unmittelbar vor und während einer Prüfung Fragen zu ihrer aktuellen Angst.

Beim zweiten Teil wurden sie zur Angst vor dem Mathematikunterricht befragt. Während des Unterrichts gaben sie zudem ihr Feedback zur ihrer gegenwärtigen Angst über einen kleinen Handcomputer.

Glauben an Stereotype

Das Resultat: Der Fragebogen-Teil bestätigte frühere Befunde. Die Mädchen berichteten über stärkere Mathematik-Angst als die Jungen, trotz ähnlicher Noten, berichten die Forscher nun im Fachjournal «Psychological Science».

In der echten Prüfungs- oder Unterrichtssituation fühlten sie sich jedoch keineswegs ängstlicher als ihre Mitschüler. Mädchen haben also nicht mehr Angst - sie glauben nur, mehr Angst zu haben.

Dass Mädchen einfach offener ihre Angst zugeben könnten als Jungen, ist nach Angaben von Bieg eher nicht der Grund für diese Resultate - denn dann würde sich kein Unterschied zwischen dem Fragebogen und der tatsächlichen Test- oder Unterrichtssituation zeigen.

Die Forscher vermuten eher, dass die Angst der Mädchen im Glauben an Stereotypen wurzelt. Denn die Mädchen vertrauten weniger auf ihre Fähigkeiten als die Jungen, unabhängig von ihren tatsächlichen Leistungen, und würden deshalb ihre Angst vor dem Fach überbewerten.

«Bedenkliches Szenario»

Dies sei sehr wahrscheinlich ein wichtiger Grund dafür, dass Frauen weniger häufig als Männer in mathematikintensive Berufsfelder gingen, erklären die Autoren. «Die Resultate zeichnen ein bedenkliches Szenario, in dem Mädchen ganze Berufsfelder aufgrund von ungerechtfertigten Fehleinschätzungen meiden», schreiben sie.

Sie zeigten jedoch gleichzeitig auch auf, dass Lehrpersonen diese selbst-abwertenden Einstellungen korrigieren könnten, einfach indem sie ihre Schülerinnen darauf hinweisen würden, dass sich ihre Leistungen und Ängste nicht von denen ihrer Mitschüler unterschieden. (SDA)

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