Berlin –
Beglückend oder unsinnig – Gaben wird nicht nur zu Weihnachten ein besonderer Wert zugemessen. Schenken ist kompliziert, geht mit Verpflichtungen einher und hat interessante Folgen.
Sie denken, Weihnachten sei der totale Exzess? Seien Sie beruhigt. Das gab es früher auch schon. Ob Essen, Sklaven oder Kanus, für die Indianerstämme im Nordwesten Amerikas war es im 19. Jahrhundert völlig normal, all ihr Hab und Gut zu verschenken. Beim Potlatch, dem „Fest des Schenkens“, machten sie die erlesensten Gaben. Denn in der sozialen Hierarchie stand nicht zuoberst, wer am meisten besaß, sondern wer am meisten verschenkte.
Auch in unseren Gesellschaften ist Schenken von hoher Bedeutung. Seit Jahrzehnten erforschen Psychologen, Soziologen und Ökonomen, was es damit auf sich hat. Während die einen die Bedeutung von Geschenken für die sozialen Beziehungen herausstreichen, führen Ökonomen eine Diskussion über den ökonomischen Sinn des Schenkens. Schließlich sind wir Handel gewohnt, Kaufen und Verkaufen. Dass jemand etwas einfach hergibt, damit tut sich die Ökonomie schwer.
Die Idee von der „reinen Gabe“, also des völlig selbstlosen, uneigennützigen Geschenks, halten heute auch andere Wissenschaftler für überholt. Die Psychologie geht davon aus, dass schon das Gefühl, eine „reine Gabe“ geschenkt zu haben, ein Gewinn für den Schenker ist. Es gibt in diesem Konzept also überhaupt keine völlig selbstlosen Geschenke.
Doch abgesehen davon: Dass Geschenke soziale Beziehungen beeinflussen, ist unumstritten. Das macht das Schenken kompliziert. Denn es sind Erwartungen damit verbunden: Dass sich der Schenkende genau überlegt, was dem anderen eine Freude machen könnte. Und dass auf der anderen Seite der Beschenkte positiv reagiert (selbst wenn ihm das Geschenk nicht gefällt).
Nützlicher Effekt
Schenken geht mit Verpflichtungen einher und hat interessante Folgen. So hatten zum Beispiel die Psychologinnen Paula Levin und Alice Isen bereits 1975 gezeigt, dass Menschen hilfsbereiter sind, wenn sie vorher ein kleines Geschenk bekommen haben. Hilfsorganisationen nutzen diesen Effekt beim Spendensammeln. Sie verschenken in der Vorweihnachtszeit zum Beispiel Postkarten an potenzielle Spender. Diese können die häufig hübsch gestalteten Kärtchen nutzen, um ihren Liebsten Weihnachtsgrüße zu senden. Dabei handelt es sich nicht um eine Nettigkeit. Im Gegenteil.
Der Bonner Ökonom Armin Falk hat 2007 in einem Experiment gezeigt: Wird einem Spendenaufruf eine dieser hübschen Karten beigelegt, kann die Hilfsorganisation nach Abzug der Kosten 22 Prozent mehr Spenden verbuchen. Sind es vier Postkarten, steigen die Einnahmen sogar um 55 Prozent. Wenn sie ein Geschenk bekommen haben, verspüren die Menschen ein Bedürfnis, etwas zurückzugeben. Denn das besondere an Geschenken ist ja, dass man etwas bekommt, ohne dafür etwas getan zu haben.
Dennoch gibt es Ökonomen, die Geschenke für einen ziemlichen Unsinn halten. Ihr prominentester Vertreter ist der US-Wirtschaftswissenschaftler Joel Waldfogel, Autor des Buches „Warum Sie diesmal wirklich keine Weihnachtsgeschenke kaufen sollten“. Seine ersten Forschungsergebnisse zum Thema hat er zu Beginn der 1990er Jahre veröffentlicht. Zuvor hatte er Ökonomiestudenten gefragt, wie hoch sie den Wert ihrer Weihnachtsgeschenke einschätzen. Das Ergebnis: Sie maßen den Präsenten einen deutlich geringeren Wert zu, als sie laut Ladenpreis tatsächlich hatten. Waldfogels Schlussfolgerung: Das in Geschenke investierte Geld ist schlecht angelegt: Schenken vernichte Wohlfahrt.
An Wert gewonnen
Die Erklärung dafür ist vermeintlich einfach und jedem, der nach dem idealen Geschenk sucht, bekannt: Häufig weiß man nicht so genau, was dem anderen gefallen würde. Könnte der zu Beschenkende sich sein Geschenk selber aussuchen, würde er das Geld genau so ausgeben, dass es für ihn den größten Nutzen bringt (so zumindest die Theorie). Jedoch ist das Verschenken von Geld in der Regel verpönt. Und die Forschung deutet daraufhin, dass die meisten Schenkenden das auch gar nicht wollen. Sie möchten erleben, wie sich jemand über das „tatsächliche“ Geschenk freut – und ihm nicht nur das Geld überreichen. Denn ein „richtiges“ Geschenk ist ein unmittelbares und damit viel intensiveres Erlebnis.
Die Ökonomen Sara Solnick und David Hemenway haben 1996 Waldfogels Experiment wiederholt, kamen aber zu anderen Ergebnissen. Sie befragten nicht Wirtschaftsstudenten, sondern Menschen von der Straße. Und kamen zu komplett anderen Ergebnissen: Demnach wurden die Geschenke von den Beschenkten bis zu doppelt so wertvoll eingeschätzt, wie sie tatsächlich waren.
Zwei Jahre später gingen Jason Shogren und John List noch weiter. Sie versuchten Menschen ihre gerade erhaltenen Weihnachtsgeschenke abzukaufen – und mussten dafür einen Aufpreis von 21 bis 35 Prozent bezahlen.
In Deutschland forschten die Ökonomen Thomas Bauer und Christoph Schmidt, aktuell Chef der sogenannten Wirtschaftsweisen, zu dem Thema. Sie kamen 2008 nach der Befragung von 500 Studenten zu dem Ergebnis, dass es vor allem auf die Fragestellung ankommt. Fragt man die Studenten, wie viel Geld sie für einen Gegenstand bezahlt hätten, der ihnen geschenkt worden ist, liegen die Summen im Durchschnitt elf Prozent unter dem Marktpreis des Gutes. Hergeben würden sie ihr Geschenk allerdings nur, wenn ein Aufschlag von im Schnitt 18 Prozent bezahlt würde. Sobald ein Gegenstand verschenkt wurde, gewinnt er also an Wert.
Das kann einerseits damit zu tun haben, dass man den Wert eines Gegenstandes höher einschätzen, sobald man ihn besitzt. Andererseits werden mit Geschenken auch Emotionen verbunden. Schenken ist viel mehr als nur ein Austausch von Gütern, es ist eine soziale Handlung: Der Akt des Schenkens erzeugt Werte, die mit Geld nicht gekauft werden können: Er signalisiert Aufmerksamkeit oder Zuneigung.