Frau Katzer, als Wissenschaftlerin beschäftigen Sie sich damit, wie das digitale Leben uns verändert. Gerade jetzt zum Beispiel habe ich das Mailprogramm und den Browser offen, ich telefoniere mit Ihnen und das Telefon zeichnet das Gespräch auf. Was macht dieses Multitasking mit mir?
Autorin: Andrea Diener, freie Autorin im Feuilleton.
Es wird ja immer behauptet, gerade junge Leute beherrschten Multitasking sehr gut und es würde die Lernfähigkeit steigern. Wenn man aber schaut, was dahintersteckt, muss man feststellen: Nur zwei Prozent der Menschen sind fähig, wirklich zu multitasken, das ist eigentlich keiner. Wir sind damit überfordert. Wir arbeiten auf verschiedenen Bewusstseinsebenen: Wenn ich meine E-Mail bearbeite, ein Telefongespräch führe, nebenbei noch andere Texte schreibe und schaue, was auf Instagram los ist, dann versuchen wir, uns auf alle diese Wahrnehmungsebenen gleichzeitig zu fokussieren. Aber das schaffen wir nicht. Das führt dazu, dass wir unkonzentrierter, oberflächlicher und ungeduldiger werden.
Aber worin besteht denn der Unterschied, ob ich an meinem Computer oder Smartphone herumklicke, oder ob ich in einem Buch und einer Zeitschrift blättere und nebenbei läuft noch der Fernseher?
Der große Unterschied, wenn ich in einer Zeitschrift blättere und Radio oder Fernsehen laufen lasse ist der, dass das ein Medium ist, das ich zwar rezipiere, in dem ich aber nicht aktiv bin. In dem Moment, in dem ich eine App öffne, bin ich der Handelnde. Ich begebe mich in diese Welt und tue etwas, und dann konzentriere ich mich stärker darauf. Es ist aber auch wieder ein Unterschied, ob ich nur bei Amazon ein Buch kaufe oder zum Beispiel bei Facebook mein Profil ändere oder bei Elitepartner einen neuen Freund suche. Das heißt, je mehr ich persönlich engagiert und emotional beteiligt bin, umso stärker bin ich abgelenkt.
Es ist also etwas anderes, wenn ich mit Menschen interagiere, die ich gut kenne, als wenn ich mich bei Ebay durch Staubsaugerbeutel klicke.
So ist das. Sobald ich mich in sozialen Netzwerken bewege, befinde ich mich in einer Gruppe und in einer sozialen Interaktion. Und das emotionale Engagement ist umso höher, je mehr ich zu einer Gruppe dazugehören möchte. Umso eher werde ich versuchen, mich gut darzustellen. Und natürlich werde ich versuchen, mich dem Rhythmus und der Sprache der Gruppe anzupassen – und ihrem Onlineverhalten.
Wie wirkt sich das Internet denn auf unsere sozialen Beziehungen aus?
Beziehungen sind heute anderer Art. Sie sind eher kurzfristig angelegt und teilweise oberflächlicher. Viele Beziehungen werden ökonomisiert, das heißt, es wird geschaut, ob jemand einen Nutzen für mich hat. Dieser Werterwartungsnutzen spielt eine wichtige Rolle, mit wem ich mich befreunde. Da frage ich, ist der vielleicht einmal wichtig für mein zukünftiges Leben, meine Berufswelt, oder kann ich über den an andere Freunde kommen? Obwohl wir uns natürlich auch mit unseren echten Freunden vernetzen, schauen wir, mit welchen anderen Menschen wir noch zu tun haben können, und da richten wir uns im Internet nach anderen Kriterien. Diese Kriterien haben wir im echten Leben auch nicht: Wenn wir in eine Kneipe gehen und flirten, sind das Dinge wie Gestik, Mimik, Aussehen, Sprache, Stimmlage, Blick, die eine Rolle spielen. Das fällt ja alles weg. Uns bleibt nur, was andere von sich preisgeben.
© privat
Den Blick für das eigene digitale Verhalten schärfen: Catarina Katzer, Volkswirtschaftlerin und Sozialpsychologin.
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Den Blick für das eigene digitale Verhalten schärfen: Catarina Katzer, Volkswirtschaftlerin und Sozialpsychologin.
Und die versuchen, sich zu verkaufen.
Genau. Ich versuche, mich gut darzustellen und ökonomisiere mich dadurch auch. Alles, was mich an mir stört, das lasse ich im Netz weg.
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