Psychologie auf Türkisch Kaum Muttersprachler unter Therapeuten

Psychologie auf Türkisch

Auch Migranten haben Depressionen. Doch wie macht man eine Therapie, wenn man nicht gut Deutsch spricht? Der Einsatz von Dolmetschern hat seine Tücken. In Stuttgart hilft eine interkulturelle Ambulanz.

Von Katrin Kasper

STUTTGART. Der Diplompsychologe Mehmet Yazici hat einen Sympathiebonus bei türkischen Patienten. "Mein Migrationshintergrund vereinfacht oftmals den Beziehungsaufbau", erklärt er. "Durch die kulturelle Gemeinsamkeit entsteht mehr Offenheit." Yazici arbeitet in der interkulturellen Psychiatrischen Institutsambulanz des Rudolf-Sophien-Stifts in Stuttgart. Die Abteilung ist seit 2006 auf türkische Patienten spezialisiert.

Von den 14 Mitarbeitern haben sechs türkische Wurzeln: Drei Psychotherapeuten, eine Sozialpädagogin, eine Sekretärin und ein Dolmetscher. Institutsleiter und Facharzt Peter Birkert schätzt, dass die Hälfte der rund 600 Patienten türkischer Herkunft ist. "Der Andrang ist groß", sagt er. Die Ambulanz könnte doppelt so viele türkische Patienten aufnehmen. "Dafür reichen unsere Kapazitäten aber nicht aus."

Von 10,8 Millionen Menschen in Baden-Württemberg sind knapp drei Millionen Migranten - etwa 27 Prozent. Die türkischen Migranten bilden die größte Gruppe. Rund eine halbe Million Menschen im Südwesten hat die Staatsangehörigkeit der Türkei. In Deutschland sind es drei Millionen, was einem Anteil von etwa vier Prozent an der Bevölkerung entspricht. Laut Bundespsychotherapeutenkammer spricht jeder Fünfte nicht ausreichend Deutsch, um eine psychotherapeutische Behandlung erfolgreich absolvieren zu können.

Moritz Quiske von der Deutschen Krankenhausgesellschaft sieht eine Entwicklung im System. "Die Krankenhäuser stellen sich zunehmend auf Patienten ein, deren erste Muttersprache nicht Deutsch ist." Häufig dienen Dolmetscher als Vermittler zwischen Arzt und Patient. Wichtig sei, dass der Übersetzer über fachspezifisches und kulturelles Wissen verfügt. Professionelle Sprach- und Integrationsmittler erfüllen diese Kriterien. Anders als herkömmliche Dolmetscher sind sie speziell für das Übersetzen im Gesundheitswesen ausgebildet.

Die bundesweite Vermittlung der Experten erfolgt über ein Projekt der Diakonie Wuppertal. "Unsere Sprach- und Integrationsmittler werden als Dienstleister je nach Bedarf der anfragenden Stelle gebucht. So wollen wir Lücken schließen", berichtet Heike Timmen, Leiterin des Vermittlungsservices. Auch die Psychotherapie ist ein Einsatzbereich der spezialisierten Dolmetscher. Das sehen die Psychiater im Rudolf-Sophien-Stift kritisch.

Suzanne Aksümer hat selbst als Übersetzerin gearbeitet und kennt beide Seiten der Medaille. "Der Dolmetscher wird zum Anker für Therapeut und Patient. Zu wem baut mein Patient dann eine Bindung auf? Es fehlt die nötige Intimität für eine Therapie."

Die Sozialpädagogin Arife Bagci-Demirkol stimmt der Kollegin zu: "Diagnostisch ist ein Sprachmittler sinnvoll, therapeutisch aus meiner Sicht schwierig. Vor allem bei langfristigen Therapien ist bei einem Dolmetscher-Pool nicht garantiert, dass immer dieselbe Person verfügbar ist." In der Psychiatrischen Institutsambulanz in Stuttgart leistet der Dolmetscher daher nur außerhalb der Psychotherapie Hilfe, unter anderem bei Arzt- und Pflegegesprächen.

Heike Timmen vom Wuppertaler Vermittlungsservice spricht von positiven Rückmeldungen beim Einsatz von Dolmetschern in der Therapie. "Die Psychiater erzielen nach eigenen Angaben Erfolge und sehen den 'Dritten im Raum‘ nicht als Hindernis an. Für uns stellt die Bereitstellung desselben Sprach- und Integrationsmittlers auch bei langfristigen Therapien kein Problem dar."

Zweisprachige Therapeuten sind Mangelware. "Psychische Erkrankungen können die Integrationsfähigkeit einschränken", sagt ein Sprecher des Sozialministeriums. Eine Lösung nach dem Prinzip des Stuttgarter Vorbildes scheint flächendeckend nicht umsetzbar zu sein. Bundesweit gibt es nur wenige Institutionen, die ähnlich aufgestellt sind. Yazici betont: "Der Bedarf hierzulande ist nicht gedeckt, die Wartezeiten für die Patienten sind lang."

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