Von
SEBASTIAN HERRMANN
Schockolade schmeckt, ein Schlag tut weh - eigentlich sollte die Wahrnehmung physischer Reize eine einfache Sache sein. Doch wie wir etwas erleben, hängt davon ab, ob ein Reiz mit guter oder böser Absicht abgegeben wird.
Kein Gebäck der Welt konnte es je mit Omas Torten aufnehmen. Doch lag das nur an ihrer Backkunst? Die Psychologie liefert andere Begründungen.
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Verklärte Kindheitserinnerungen könnten ein Faktor sein - oder die positiven Erwartungen, mit denen man einst die Kuchen gegessen hat. Kurt Gray bietet nun eine neue Erklärung an: Die guten Absichten, mit denen Oma ihr Gebäck zubereitete, verbesserten dessen Geschmack.
Der Psychologe von der Universität Maryland trifft diese Aussage sogar für ein weiteres Feld als die Backstube: Auch die Empfindung von Schmerz wird davon beeinflusst, ob ein Reiz mit guter oder böser Absicht gegeben wird (Social Psychological and Personality Science, online).
Eigentlich sollte die Wahrnehmung physischer Reize eine geradlinige Angelegenheit sein: "Schokolade schmeckt lecker, ein Schlag tut weh und Kuscheln ist angenehm", sagt Gray. Doch so einfach ist es offenbar nicht. Erste Hinweise veröffentlichte der Psychologe 2008 im Fachjournal Psychological Science.
Dabei zeigte er, dass ein in böser Absicht erteilter Elektroschock besonders starke Schmerzen auslöst. Ob aber gute Absichten eines Menschen Schmerzen bei anderen mindern, war bislang nicht untersucht worden.
Gray ließ nun seine Probanden unter einem Vorwand Aufgaben erfüllen. Dabei bekamen sie regelmäßig schmerzhafte Elektroschocks verpasst. Angeblich löste ein Partner im Nebenzimmer diese aus, tatsächlich hatte der nichts damit zu tun.
Dann erklärte Gray, dass es allen Teilnehmern schwer fiele, andere mit Elektroschocks zu peinigen. Um es den Folterern zu erleichtern, habe man ihnen gesagt, dass die Empfänger der Schmerzen für jeden Stromstoß Geld bekämen. Nun schmerzten die Schocks weniger stark - weil die Probanden durch die Lüge von der Belohnung gute Absichten bei den Folterern unterstellten.
Den gleichen Effekt beobachtete Gray in weiteren Versuchen. Die Bewegungen eines Massagestuhls wurden als angenehmer empfunden, wenn ein Mensch statt ein Computer diese auslöste.
Einem Rechner sei eben nicht zu unterstellen, dass er etwas Gutes tun wolle. Schließlich ließ Gray den Geschmack von Schokoriegeln bewerten, die von einem Menschen angeblich ausgesucht und mit einer Notiz versehen worden waren. Stand darauf, dass die Süßigkeit mit Bedacht ausgewählt worden war, um Freude zu bereiten, schmeckte sie besonders gut.
Gray leitet aus seiner Studie eine banale Empfehlung ab: positiv auf andere zu blicken. "Es tut weniger weh, wenn uns jemand einen Parkplatz wegschnappt und das Essen bei einer Einladung schmeckt besser, wenn wir eine gute Meinung von Menschen haben", sagt der Psychologe.
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(SZ vom 19.01.2012/mcs)
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